Portland
Für heute hatte ich keinen Ausflug gebucht. Im Ausflugsprogramm hatte ich gelesen, dass es einen Gratis-Shuttle nach Weymouth gäbe, zum Hauptort der Insel, und ich dachte mir, ich gehe einfach etwas spazieren.
Obschon ich also keinen Zeitdruck hatte, und im Dunkeln meiner Innenkabine auch kein wirkliches Zeitgefühl, stand ich dann doch wieder kurz nach halb sechs auf und war um sieben auf Deck – gerade rechtzeitig, um die Anfahrt nach Portland und die Einfahrt in den Hafen mitzuerleben. Wiederum waren nur wenige Menschen an Deck, einige wenige waren beim Sport. Die meisten schliefen noch, wohl nach Show und Party von letzter Nacht. Wobei ich einen Mitreisenden lästern hörte, dem weder die Show noch die anschliessende Disco- oder Livemusik gefallen hatte. Hoffen wir für ihn, dass ihm heute Abend die Irish Pub Party besser gefällt …
Wetter war auch heute strahlend schön, wenn auch, wegen eines recht starken Windes, kühler als gestern. Die Jacke mochte es durchaus leiden. Ansonsten: Ein weiterer Prachtstag.
Ich habe übrigens gegen Mittag rausgefunden, wieso ich mir nicht nur Nacken und Hals, sondern auch das rechte Handgelenk verbrannt habe. Diese, leicht schmerzhafte Tatsache, hat mich seit gestern Abend verwirrt. Die Antwort ist banal: Ich habe ja den ganzen Tag die Kamera umgehängt, und die halte ich beim Gehen mit der rechten Hand fest. Die liegt dann so im 90°Winkel, und weil ich ja Ärmel immer zurückschiebe, wird’s da halt etwas rot. Werde mir wohl morgen im Ship Shop eine Sonnencreme kaufen müssen. Feuchtigkeitscreme habe ich zum Glück genug.
Aber zurück zum Tagesablauf: Nach dem Frühstück ging es die Gangway runter – hübsch wackelig für mich, ein Klacks für die Scouts, die hier, jeder mit zwei Bikes über den Schultern, runter düsten. OK, ein Teil der Bikes sind aus Bambus und entsprechend leicht. Die werden übrigens in Ghana gebaut, und für jeden Ausflug mit Bambus-Bike, der gebucht wird, gehen 5 Euro an ein Bildungsprojekt in diesem Land. Gute Sache! Für Menschen mit Gehbehinderung ist dieser Hafen allerdings nicht ideal, auch wenn Mitreisende geduldig und Angestellte sehr hilfsbereit sind.
Ich nahm den ersten Shuttle-Bus und freute mich, wie schon in Dover, über den extrem freundlichen und kompetenten Service. Guides standen mit Stadtplänen bereit, die Fahrer gaben jederzeit hilfsbereit Auskunft. Einige Leute schimpften, weil man ihnen nicht gesagt hatte, dass es diesen Gratis-Shuttle gebe. Da hätten sie sich das Geld für die Ausflüge sparen können. Ich wies freundlich darauf hin, dass ich diese Information den Aida-Informationen entnommen hätte. Wer lesen kann, ist halt oft im Vorteil … Der Bus fährt bis eine Stunde vor Abfahrt des Schiffes im Kreis rum, mit Halt am Hafenausgang, beim Schloss und beim Busbahnhof von Weymouth. Offenbar auf Initiative der Inselregierung, die auf diese Weise einen Teil des Touristenstroms in den Ort lenkt.
Auf der Insel gibt es einiges zu besichtigen, unter anderem Portland Bill, einen nach wie vor genutzten Leuchtturm:
https://www.visit-dorset.com/things-to-do/portland-bill-lighthouse-p683283
Wassersport wird hier ganz gross geschrieben, und auch wenn ich persönlich heute nicht ins Wasser gegangen wäre: Auf einem der Fotos seht ihr vorne zwei Esel, hinten rechts eine Gruppe Jugendliche, die eben aus dem Meer gestiegen war. Und auf einem anderen seht ihr jede Menge Windsurfer und Segler.
https://www.visit-dorset.com/explore/towns/portland
Ich liess mich als erstes bis zum Busbahnhof fahren und spazierte dann durch das Städtchen. Gerne hätte ich die Ziehbrücke fotografiert, aber da kein Schiff durch wollte, wurde diese auch nicht geöffnet – dies geschieht sonst alle zwei Stunden. Die Häuser und Strassen erinnerten mich sehr an meine Zeit in Hastings und die Park Road 104. Vorne, direkt am Meer, ähnelte das ganze mehr Bournemouth, mit den ganzen Hotels, und B&Bs mit winzigen, aber liebevoll bepflanzten und dekorierten Terrässchen. Einige Hotels haben ihre Blütezeit offenbar schon länger hinter sich – und doch stand da teilweise „No Vacancies“, und Gäste gingen ein und aus. Vielleicht sind die Innen besser dran –die raue Seeluft nagt halt schon an der Fassade.
Heute sassen viele Einheimische draussen: Mütter mit Kindern, vereinzelt auch Väter, viele Rentner. Typisch englisch, einige davon: Trotz Wind und nur knapp 14 Grad in Shorts oder luftigen Sommerkleidchen. Mit etlichen von ihnen kam ich ins Gespräch – und merkte einmal mehr, wie sehr ich mich in dieser Sprache und Kultur zuhause fühle.
Ich sah viele lustige Schilder – einige davon habe ich auch fotografiert, die findet ihr in der Slideshow – und schmunzelte über die Fish&Chips-Lokale, die offenbar darum wetteifern, welches von ihnen traditionsreicher oder älter sei. Ausser Kategorie, da ohne für mich sichtbare Jahreszahl:
Ich spazierte zuerst zwischen den Häusern durch, ging dann auf dem Rückweg dem Strand entlang. Bei einem kleinen Restaurant gönnte ich mir einen grossen Tee und einen Bissen – zumindest hatte das der freundliche junge Mann an der Theke so formuliert. Der Bissen erwies sich als leckeres, aber ziemlich grosses Roastbeef-Sandwich mit einer Handvoll Chips. Das Ganze für 6 Pfund, also weniger als 10 Franken.
Umso mehr musste ich etwas später grinsen, als ich zufällig mitbekam, wie andere Gäste der Aida sich stritten. Sie wollte sich irgendwo hinsetzen und etwas essen und trinken, er war vehement dagegen: Der Bus ist gratis, das Essen auf dem Schiff bezahlt – wir gehen jetzt zurück und kommen nachher wieder! So kann man es natürlich auch machen …
Danach zottelte ich erst noch etwas weiter, aber nach knapp 10 km fand ich, es wäre Zeit für dir nächste Etappe, nahm den Bus und liess mich beim Schloss absetzen.
Als erstes lernte ich da, dass das Schloss gar kein Schloss ist, sondern eigentlich eine Festung, die ursprünglich unter Henry VIII erbaut worden war:
https://www.english-heritage.org.uk/visit/places/portland-castle
Ein Audio-Guide vermittelte anschaulich, wie die Soldaten hier gelebt hatten. Ausser dem Kommandanten wenig luxuriös, obschon sie wenigstens schon ein (!) Plumpsklo hatten. Die Kanonen standen ursprünglich zweireihig, was heißt, dass die untere Reihe überdacht war. Durch die kleinen Luken drang kaum Licht, Feuer konnte man aus naheliegenden Gründen keins machen – die Gun Men operierten also im Dunkeln, wobei jeder einzelne Schuss lauter als ein startender Jumbojet gewesen sein soll. Klingt nicht gerade nach einem Traumjob.
Viel Freude hatte ich an der Küche im Tudor-Stil, die mit liebevoll arrangierten Replika eingerichtet war. Und noch mehr an einer Schulklasse, die hier mit zwei Lehrpersonen unterwegs war: Lehrende können sich in einem eigens dafür bereitgestellten Raum mit Kleidern und Gegenständen aus der Tudorzeit eindecken. Die Kinder staunten, wie schwer so ein gewobenes Wollkleid war, fanden die Ritterkappen mit Fasanenfeder extrem schick und stritten, natürlich, um Helme um Schwerter. Diese zählen denn auch, neben Drachen, zu den beliebtesten Souvenirs im Shop. Fotos gibt’s hier keine, aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes (mit den Lehrenden so abgesprochen). Ich genoss einige ruhige Minuten im wunderschön gestalteten Garten, ehe ich den Shuttlebus zurück zum Schiff nahm. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, Bus 501 ans andere Ende der Insel zu nehmen, zu besagtem Leuchtturm. Zeit hätte ich genug gehabt, aber irgendwie reichte es mir für heute.
Genoss stattdessen meinen Kaffee an Deck und liess den lieben Gott einen guten Mann sein …
Beim Auslaufen wurden wir von einem wunderbaren Chor und anschliessend drei Kanonenschüssen begleitet. (Live-Videos davon gibt’s auf Facebook). Schön!
Allein am Baustil muss man die Gegend erkennen!
Was eigentlich kriegerisch geplant und gebaut wurde ist heute eine sehenswerte Angelegenheit.
Daddy
Hallo liebe Lovey
Gespannt verfolge ich Deine Blogs. Gerne lese ich zwischendurch mit. Geniesse Deine Ferien und lasse es Dir gut-gehen. 😉
Ganz liebe Grüsse
Gabriela Streit