Seetag
Ich habe wunderbar geschlafen! Seit gestern habe ich nämlich ein Nackenkissen – und damit keine Kopfschmerzen mehr am Morgen. Trotz vier Kissen hatte ich in den Nächten zuvor die ideale Schlafposition nie so richtig gefunden.
War trotzdem wieder kurz nach sechs wach und um halb sieben auf Deck, wo die Mannschaft gerade tonnenweise Liege- und Deckstühle aufreihte. Das sind immer lustig aus, habe dann später auch besetzte Fotos gemacht – aber mein Ding ist das nicht. Aber wenn da alle auf Sardinen machen, gibt’s im restlichen Schiff viele schöne Ecken, in die ich mich zurückziehen kann. Als erstes holte ich mir im Hemingway ein Buch. Die ganzen Romane, die da rumstanden, sprachen mich nicht wirklich an, so wurde es ein Buch über Grabsteine, und was diese über unsere Trauerkultur aussagen. Berührend, überraschend und lustig zugleich.
Um 11 besuchte ich den ersten Vortrag der Referentin über Irland und Cork – der zweite, über Belfast, war um 14 Uhr angesagt, den liess ich aber dann ausfallen, weil es in der Hemingway-Lounge, an Deck, grad so schön warm und gemütlich war.
Vieles kannte ich natürlich schon, schliesslich war Irische Literatur eines meiner Schwerpunktthemen, aber dass die Harfe, das Symbolbild von Irland, eigentlich von Guinness geklaut war – allerdings spiegelverkehrt, weil man das sonst hätte bezahlen müssen, war mir neu. Auch, dass die Harfe, neben der Flöte, zu den ältesten Instrumenten zählt und wahrscheinlich das erste Zupfinstrument überhaupt war – eine Weiterentwicklung des Jagdbogens, vermutlich. Die ältesten überlieferten Harfen sind aus Weidenholz, mit Saiten aus Bronze. Gespielt wurden diese nur mit den Fingernägeln.
Das Irische Kleeblatt – shamrock –, das viele von den St. Patrick’s Paraden oder den Pubs erkennen, geht tatsächlich auf den Heiligen zurück. Dieser pflegte offenbar die heilige Dreieinigkeit damit zu erklären. Ihm ist wohl auch das berühmte keltische Kreuz zu verdanken, eine Verbindung des lateinischen Kreuzes (mit langem, senkrechtem Balken und kurzem Querbalken) und dem Kreis, als Sinnbild des alten Sonnenkults.
Was ist sonst typisch Irisch?
Das Grün, natürlich. 40 verschiedene Grüntöne gebe es in der Natur, andere Quellen nennen 400, was der Insel den Beinamen Grüne Insel eingetragen hat. Unterbrochen wird das Grün von zahlreichen Rundtürmen, die als Verteidigungstürme gebaut und genutzt wurde, wobei das Kostbarste zuoberst eingelagert wurde.
Die Sprache – Irish-Gälisch; neben Schottisch-Gälisch und Manx eine der drei gälischen Sprachen. Sie ist seit dem 4. Jhd. auf den Inseln verbürgt und auch wenn viele Menschen angeben, sie zu Verstehen, gelten heute nur noch rund 70‘000 Menschen als Muttersprachler. Rund 1 Million bräuchte es gemäss Forschern, um eine Sprache am Leben zu erhalten. Könnte also eng werden …Die Wurzeln des Übels, dass Gälisch zurückging und Englisch aufstieg, liegt gemäss der Referentin in der Erfahrung der grossen Hungersnot – ein übles Kapitel in der irischen Geschichte. Während die Kartoffelfäule das Hauptnahrungsmittel der armen, katholischen Bevölkerung vernichtete, wurden Getreide und Eier weiterhin ins protestantische England exportiert. 1.5 Millionen Irinnen und Iren sind während der grossen Hungersnot verhungert – auswandern könnte nur, wer Geld für die Überfahrt hatte und englisch sprach. Sehr energisch meinte Ingrid Haftender , es sei nie um Religion gegangen, in all den Jahrhunderten des Konfliktes, sondern immer um Macht und Reichtum. Der Unterschied zwischen katholisch und reformiert, irisch und englisch, sei Verhungern oder Schlemmen gewesen …
Interessierten sei diese Seite empfohlen: https://www.reisedepeschen.de/auf-der-spur-von-irlands-hungersnot/
Guinness
Von der Hungersnot zu Guinness zu wechseln mag in diesem Zusammenhang frivol wirken. Tatsache ist aber, dass das Stout – ein dunkles, obergäriges Bier von 3 bis 10 % ursprünglich für die Stout Porter gebraut wurde, als Stärkung für die Träger und andere stark körperlich Arbeitende. Ein Stout, ein Stück Brot und etwas Butter drauf galt bei ihnen als Festmahl.
Natürlich sehen wir auch wieder Slides von unterschiedlichen Sehenswürdigkeiten. Am meisten beeindruckt hat mich die Bibliothek vom Trinity College. Ich werde Dublin auf eigene Faust erkunden und hoffe, dass ich die finde 🙂
Da die Referentin gnadenlos überzog, kam ich etwas spät an Deck, wo grillierter Zackenbarsch serviert wurde. Den ganzen Fisch konnte ich deswegen nicht fotografieren. Die Dinger, die zwischen 7 und 10 Kilos wiegen, hatten, wie Alex Bauer auf Twitter richtig bemerkte, alle schon mehrere Zacken ab … Fein war mein Probiererli trotzdem!
Memento Mori
Anschliessend zog ich mich zurück, um zu lesen. Weit kam ich nicht, weil sich ein älteres Ehepaar aus Leipzig zu mir setzte. Er machte sofort Konversation, und so legte ich mein Buch zur Seite. Smalltalk war seine Sache allerdings nicht. Nach einer kurzen Einführung (woher kommen Sie? Bei uns wohnen auch zwei Schweizerinnen, sehr reserviert …) landeten wir innert Minuten beim Tod seines Vaters, mit dem er offenbar ein sehr schwieriges Verhältnis hatte; dem Zerwürfnis mit den Kindern (ob seine oder ihre war mir nicht klar, er sprach von Patchworkfamilie) und dann von dem, was die beiden aktuell am meisten beschäftigt: Eine gute Freundin von ihnen liegt zuhause im Sterben. Sie hätten die Reise verschoben, wenn diese das gewollt oder zugelassen hätte, betonte er mehrmals, und ich spürte seine Not. Wir unterhielten uns deshalb über Nähe – und dass man einem Menschen nahe sein kann, auch wenn man geografisch sehr weit weg ist, genauso, wie umgekehrt physische Nähe ja, wie bei seinem Vater, keine echte Nähe gewesen sei. Für mich war das wieder so ein Moment, wo ich staunte, welche Fäden das Universum manchmal spinnt. Eine unglaublich rührende und berührende Begegnung, mitten auf dem Atlantik.
Ich machte danach ein verspätetes Mittagsschläfchen, das mehr eine Mediation war, aber unglaublich gut tat. Danach ging’s zum Ocean Fotoshooting. Bin sehr gespannt auf die Bilder! Jetzt gehe ich dann zum znacht, und heute Abend wohl auch in die Show. Elke Winter ist an Bord!
Nach einer schwarzen Paella und einem Dessert ging ich ins Theater. Die Türen öffnen sich hier jeweils erst kurz vor der Vorstellung, und das es keine Badetücher gibt, die man platzieren kann, steht jemand Schlange, während die anderen noch fertig essen oder an der Bar stehen, reserviert dann Plätze und wird deswegen angeschnauzt. Sehr vergnüglich als Vorspiel.
Zum Auftakt gab’s eine Aufzeichnung des Feuerwerks vom Hafengeburstag. Das hätte eigentlich live übertragen werden sollen, was aber offenbar nicht geklappt hat. Je nu, so sah ich auch noch was davon.
Und dann kam Elke – wie eine Naturgewalt. Auch wenn nicht alle Sprüche und Witze neu waren: Sie hat einige rausgehauen, die richtig, richtig gut waren:
Was ist böse? Wenn die Leute im Krematorium Brandsalbe verkaufen.
Sie wissen, was ich bin? Ich erklär’s mal so: Ich hab keine Eierstöcke, ich hab Eier am Stock.
Ich habe eine Organverschiebung: Meine Leber ist am Arsch
Früher waren wir Blumenkinder, heute sind wir Trockensträusse
Und sie kann singen – also richtig, nicht einfach nur Playback. Hat Spass gemacht. Freue mich auf ihre zweite Show.
Wenn man die Bilder vom Essen ansieht, kriegt man auch nach dem Nachtessen noch Hunger.
Daddy