Kanaren – Azoren, Tag, 10: Horta

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Tanz auf dem Vulkan

Heute erreichten wir die Insel Faial, mit der drittgrössten Stadt der Azoren, Horta. Die Insel hat eine portugiesisch-flämische Vergangenheit, was sich unter anderem darin zeigt, dass die Menschen hier grösser und blauäugiger sind als auf den anderen Azorenionseln. Entstanden ist auch sie durch vulkanische Aktivitäten – der letzte grosse Ausbruch war vor 60 Jahren, das letzte grosse Erdbeben vor 20 Jahren. Die Spuren von beidem sind auf unserem Ausflug überall sichtbar – und in der Bevölkerung tief eingegraben.

Fast alle Familien auf der Insel wurden von beiden Ereignissen betroffen, was dazu führte, dass viele Menschen auswanderten: Von 23’000 ist die Bevölkerung auf 15’000 geschrumpft. Das ist, gemäss unserer lokalen Reiseleiterin, aber nicht nur traurig, sondern hat der Insel auch wieder zu wirtschaftlichem Aufschwung verholfen: Die einzelnen Familien haben mehr Platz. Fast alle sind hier Selbstversorger; es gibt doppelt so viele Kühe wie Einwohner; viele Hühner, Pferde, Ziegen; grosse Gärten mit Kartoffeln, Gemüse etc. Daneben einige Bananenplantagen. Früher zählten noch Walfang und die Einnahmen der grossen Überseekabelfirmen zu den den Einnahmequellen, diese wurden ersetzt durch Whalewatching und den zunehmenden Tourismus.

Das soziale Gefüge auf der Insel wird weitgehend von den 13 Kirchgemeinden zusammengehalten, mit entsprechend vielen kirchlichen Festen und Feiertagen. Da man sich untereinander kennt, sei die Kriminalität praktisch bei Null. Arbeitslose gibt es ca. 5 Prozent, wobei die im Winter jeweils durch den Presidente der Gemeinde aufgeboten würden, um bei der Reinigung der Insel zu helfen: Da werden dann  verschüttete Wasserkanäle wieder freigelegt, Spuren von Erdrutschen beseitigt und mehr. So trägt jede/r zum Wohlergehen der Insel bei.

Ich hatte heute einen „faulen“ Ausflug gebucht, da ich im Vorfeld ja nicht abschätzen konnte, wie mein Knie auf die Wanderung reagieren würde. Das rächte sich heute. Nicht wegen des Knies, sondern weil die Fahrt der Küste entlang, zum Vulkan Capelinhos, vorwiegend von jenen Menschen gebucht worden war, denen ich auf dem Schiff gerne ausweiche: Den Nörglern und Stänkerer. (Merke: Aktivität macht offenbar zufriedener!). Auf der Busfahrt erkläre dann auch ein Ehepaar allen, die es (nicht) hören wollten, dass sie eigentlich nie Ausflüge buchten, weil das sowieso nur Abriss sei, aber sie hätten noch zu viel Bordguthaben, und das verfalle sonst am Ende der Reise, und schenken würden sie denen nichts, deswegen hätten sie dann gestern diese Fahrt gebucht. Nette Zeitgenossen!

Wobei: Den ersten Zusammenstoss mit einem dieser Exemplare hatte ich schon beim Frühstück, am Buffet. Da kam eine mit ausgestreckter Gabel auf mich zu: Sie schreiben doch über Schiffsreisen! Ich: Ja, auch. Ich schreibe über alle meine Reisen. Er: Dann müssen Sie auch darüber schreiben, wie Aida mit ihren Gästen umgeht. Ich wollte erklären, dass ich genau das tue, schliesslich bin ich ja Gast, aber er fuhr fort: Ich werde Ihnen alles erzählen! Darüber müssen Sie schreiben! Aber jetzt muss ich erst frühstücken. Und im Weggehen: Ich werde Sie finden! – Meine Vorfreude hält sich in sehr engen Grenzen … Hätte ihm gerne gesagt, er solle sich an den Gästeservice wenden, aber der war schon weg.

Zurück zum Ausflug:

Da gestern Abend starke Winde angesagt wurden für heute, erhielten wir einen Kabinenbrief mit der Aufforderung, uns eine Viertelstunde früher und im Theater zu treffen, nicht bei den Bussen. Die Scorst rechneten damit, dass wir nicht in den Hafen einfahren könnten und Tendern müssten. War dann aber nicht nötig: Zwar schaukelte es gestern beim Einschlafen endlich wieder ein wenig, aber bereits nach Mitternacht war der Zauber vorbei. So konnten wir normal anlegen. Die Stänkerei ging trotzdem schon im Theater los: Die einen setzten sich einfach hin, ohne sich bei der Reiseleitung zu melden, andere ignorierten die Gruppeneinteilungen und setzten sich zu Bekannten, die einen anderen Ausflug gebucht hatten; und eine stänkerte, weil das WC gleich um die Ecke verstopft war, was bei Vakuum-Was schon mal vorkommen kann. Auf die Frage der Reiseleitung, ob sie denn das gemeldet habe (die entsprechende Nummer steht bei jedem WC), meinte die Gute: Das ist nicht meine Arbeit – das ist Ihre!

Je nu, die Scouts sortierten die Gruppen aus, blieben höflich und professionell. 2 Busse gab es für unseren Ausflug, so dass ich zum Glück eine Zweierreihe für mich hatte und auch aus dem Fenster fotografieren konnte. Die Landschaft ist auch hier sehr abwechslungsreich: Extrem grün, mit viele. Hecken aus Bambus oder Sträuchern; viele Weiden, aber auch schöne Gärten. Die Spuren von früheren Lava-Ausbrüchen sind überall sichtbar, auch wenn die meisten bereits wieder seht gut bewachsen sind. Umso grösser ist der Gegensatz, als wir uns dem Capelinhos nähern: Dieser hatte vor 60 Jahren über Monate Asche gespuckt und ganze Dörfer um sich begraben. Die schwarzweisse Kuppe mit Kreuz, im Beitragsbild, ist zum Beispiel die Turmspitze einer Kirche, die beim Ausbruch begraben wurde. Der Leuchtturm, der heute ein Museum ist, stand ursprünglich auf einem mehrstöckigen Gebäude – auch dessen unterer Teil liegt nach wie vor verschüttet.

In einem kurzen 3D-Film erfuhren wir mehr über die Entstehung der Erde und die Rolle der Vulkane dabei. Und konnten uns dann im Museum und in der umgebenden Mondlandschaft ein eigenes Bild machen. Sehr eindrücklich.

Mit nur 20 Minuten Verspätung  (!) hatten die Reiseleiter endlich wieder alle Schäfchen beisammen  – auch so etwas, was es bei den aktiven Touren bis jetzt nie gab. Die Fahrt führte zurück nach Horta, wo wir die grosse Marina besichtigen konnten – oder das berühmte Café Sport von Peter. Hier hätten wir nach 45 Minuten wieder in den Bus einsteigen und ans Pier fahren können, aber ich entzog mich: Nachdem ich mich bei der Reiseleitung abgemeldet hatte, damit sie mich dann nicht auch noch sucht, spazierte ich auf eigene Faust im Ort herum.

Die Mischung ist schon speziell: Es gibt immer noch wunderschöne Häuser aus dem 18. Und 19. Jahrhundert, dann aber auch verfallene und verlassene Gebäude, deren Besitzer vermutlich ausgewandert sind. Wobei einige auch wieder zurückkämen und dann die Häuser wieder Instand setzten, sofern diese nicht in der inzwischen verbotenen Zone stehen. Es gibt moderne, kleine Häuser, die oft nach dem Erdbeben gebaut wurden. Um Schäden wie damals zu vermeiden, müssen heute alle Gebäude erdbebensicher gebaut werden – was heißt, dass die traditionelle Bauweise aus groben Lavablöcken und Mörtel nicht mehr zugelassen ist. Wer es sich leisten kann, baut deshalb nach Vorschrift – und verkleidet dann die Fassade traditionell.

Wunderschön finde ich auch hier die Gehwege, mit schwarzem und weissem Lavagestein in unterschiedlichen Mustern. Die Menschen sind sehr freundlich, grüssen einen mit Nicken oder mit Worten und freuen sich riesig, wenn ich sie auf portugiesisch begrüsse – auch wenn ich für weitere Gespräche auf Englisch oder Italienisch ausweichen muss, denn weiter als  Buon Dia und Obrigada bringe ich es noch nicht 🙂

Zudück auf dem Schiff musste ich erst was trinken, dann bearbeitete ich die Fotos und genoss ein frühes Abendessen – ausnahmsweise mit Vorspeise und Dessert: Rentierfleischsalat, Heringhäppchen und Pilze; danach Wildschweinbraten, Kalbsbrust und Spinat, zum Dessert eine Kaktusfeige und eine Blaubeerschnitte. Zuerst war ich alleine am Tisch, als ich mit dem Hauptgang zurück kam, sah ich, dass zwei Plätze offenbar reserviert waren. Aber ich hatte Glück: Es war nicht der Gabelmensch, sondern ein nettes Ehepaar, mit dem ich schon einmal eine fröhliche Mahlzeit verbracht hatte.

Zum Abschluss des Tages konnte ich dem Shopteam noch eine Freude machen: Drei Frauen und ein Mann machen heute Blitz-Maniküre, und ein Gast spottete über den Mann, das sei ja wohl harte Arbeit etc. Dieser gab schlagfertig zurück, eine kleine Stärkung könnte er schon vertragen  – ein Weizen oder so … Worauf der Spötter sich davon machte. Ich fragte den Arbeitende, ob seine Kolleginnen auch Weizen tränken, und er wehrte erst ab, das sei doch nur ein Scherz gewesen. Aber ich kriegte meiner Bestellung zusammen und lieferte brav aus: Weizen, Kaffee, Maracuio-Schorle und Cranberry-Schorle. Die freuten sich sehr – und ich gestand schmunzelnd, dass sie mir einen Gefallen getan hätten: Ich hatte mir von Zuhause aus ein Getränke-Komfortpaket reserviert, quasi eine Flatrate. Nur brauchte ich kaum was davon, weil ich ausser Latte Macchiato kaum was trinke, was extra bezahlte werden muss …. Win-Win also!

 

Weiterführende Links:

 

2 Gedanken zu „Kanaren – Azoren, Tag, 10: Horta“

  1. Mag eine Gegend noch so schön sein, Stänkerer gibt es immer. Wichtig ist dabei sein eigenes Selbstbewusstsein zu bewahren und die Meckerer einfach nicht zu beachten, da sie sich ja doch nicht belehren lassen.
    Bei uns hat sich heute der Winter wieder zurückgemeldet. Beim Erwachen war alles Weiss, was aber sicher schon bald einem grauen Matsch weichen wird, der bei der momentanen Kälte doch noch einige Probleme bieten könnte. Geniesse also Deine letzten Tage der Reise bei hoffentlich relativ schönem und warmem Wetter.

    Daddy

  2. Ja das mit der pünktlichen Reisegruppe, welche vom Bus abgeholt werden sollte …..die Geschichte ist mir sehr bekannt > gibt eigentlich nur die Loslösung aus der Gruppendynamik > auf eigenen Sohlen die unbekannte Welt erforschen , binde Dein Mütchen an den Wanderstock und marschier los, immer der Nase nach und sei zur Zeit beim Schiff welches Dich zurück bringt.
    weiterhin viel Neues und Unbekanntes !
    mit freundlichen Grüssen Kronenrolf
    p.s.: soweit ich weiss, wurde der letzte freilebende und menschenfressende Drache auf den Azoren vor 20113 Jahren von der Inselgruppe verjagt ….

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