Kanaren – Azoren, Tag 11: Terceira

Spread the love

8 Inseln und ein Vergnügungspark

Wir treffen am Morgen sehr früh auf unserer  dritten Azoreninsel ein – und die heisst praktischerweise auch Terceira, die Dritte. Ursprünglich hatten die Portugiesen ja alle neun Azoreninseln nach Heiligen benannt, und diese Insel benannten sie nach Jesus Christus. Da sie aber als dritte Insel entdeckt und besiedelt wurde, sprach man allgemein von Terceira. Später, als die Inseln vermessen wurden, stellte man fest, dass sie auch dir drittgrösste Insel der Azoren ist, und so blieb der Name erst recht hängen.

Die AidaVita steht im Containerhafen, etwas ausserhalb von Praia de Vitoria. Diesen Ort werde ich morgen zu Fuss erkunden – heute liess ich mich chauffieren. Und zwar kreuz und quer durch die eiförmige Insel, die natürlich auch vulkanischen Ursprungs ist. Insgesamt vier Vulkane waren an der Entstehung der knapp 29 km langen und 17 km breiten Insel beteiligt. Der grösste Krater ist die ausgedehnteste Ebene der ganzen Azoren. Den hätten wir am Morgen eigentlich als erstes besichtigen wollen. Unser Bus fuhr vom Hafen aus eine historische Kopfsteinpflasterstrasse in die Höhe, aber da oben hingen die Wolken fest, so dass wir überhaupt nichts sehen konnten.

Also fuhren wir runter an die Nordküste, wo wir in Biscoitos ein altes Gutshaus mit Weinmuseum besichtigen durften. Jede Frau erhielt da eine blühende Kamelie, und alle ein feines Glas Süsswein. Auch auf dieser Insel sind fast alle Familien Selbstversorger, wobei Milchwirtschaft die Haupteinnahmequelle ist. Um die Häuser herum hat’s normalerweise Gärten mit Kartoffeln, Gemüse, Früchte etc. „Was auf den Boden geworfen wird, wächst und gedeiht hier“, meinte Paula, unsere lokale Reiseleiterin. Im hinteren Teil steht jeweils ein Schweinestall, meist hat’s auch Geflügel. Das war ursprünglich auch bei diesem Gutshaus der Fall, aber zum Hundertjahrjubiläum des dazu gehörenden Weingutes wurde das Ganze als Museum gestaltet, und in den früheren Gärten wird nun gezeigt, wie hier auf den Azoren Wein angebaut wird. Ich hatte ja früher schon geschrieben, dass der Wein geduckt wächst – und heute konnte ich das von nahem sehen: Die Weinstöcke werden direkt auf die Lavabrocken gesetzt und wachsen flach, auf den Steinen, die bei Sonnenschein bis 35 Grad warm werden können. Um die Reben werden Trockenmauern gebaut, welche den Wind abhalten und ihrerseits die Sonne reflektieren. Nur so wird die nötige Temperatur erreicht, um die Trauben reifen zu lassen. Hier auf der Insel gibt es drei Weinanbaugebiete, auf denen international renommierter Wein gedeiht. Weitere Rebberge (die eben keine sind) liefern Wein für Portugal oder den einheimischen Konsum.

Letzter scheint durchaus sehr hoch zu sein, denn wie wir von Paula erfahren, sind die Menschen hier sehr festfreudig: Sie feiner, natürlich, alle möglichen Heiligen, haben aber auch weitere lustige Feste. Zum Beispiel jetzt, zwischen den Jahren, wird „Jesus macht Pipi“ gefeiert. Da gehen die Leute, besuchen Freunde und Bekannte und fragen, ob das Jesuskind Pipi macht. Und kriegen dafür zu essen und zu trinken. Oder „der fünfte Stier“: Hier auf Terceira gibt es zwar auch den traditionellen portugiesischen Stierkampf, in der Arena, mit einem berittenen Stierkämpfer. Weit beliebter sind aber die Seilstierkämpfe, wo jeweils 4 Stiere an Seilen durch die Strassen der Dörfer jagen (die Seile dienen dazu, zu verhindern, dass die Stiere abhauen, denn die Strassen werden nicht abgesperrt, nur der Verkehr wird angehalten. Einige junge Männer halten die Seile, während die Bewohnerinnen und Bewohner versuchen, den Stier zu berühren. Eine unblutige Angelegenheit für die Stiere – für die StierkämpferInnen nicht immer. Die Tradition geht offenbar zurück auf einen Versuch der Spanier, Angra do Heroismo mit einem Überraschungsangriff zu erobern. Eine Bäuerin bemerkte die nächtlichen Aktivitäten und holte Stiere und Kühe von den Weide und liess diese auf die Eindringlinge los. Offenbar mit Erfolg, denn die Stiere geniessen hier eine hohe Achtung. Ach ja: Der fünfte Stier ist dann jener, der am Morgen nach den Festivitäten im Kopf rumtrampelt, denn nach den Kämpfen wird natürlich tüchtig gefeiert!

Wir brauchten uns allerdings von keinem Stier hetzten zu lassen, sondern fuhren gemütlich weiter: Zuerst zu den Naturbecken, etwas ausserhalb des Dorfes, und dann nach Angra do Heroismo. Die allererste Stadt der Azoren zählt zum Weltkulturerbe, denn sie wurde als erste Stadt im modernen Schachbrettstil errichtet. Viele Gebäude mit den traditionellen Fassaden sind noch erhalten bzw. Wurden nach dem letzten Erdbeben wieder in Stadt gestellt. Die Stadt hat eine sehr abwechslungsreiche Geschichte hinter sich und war drei Jahre lang sogar Hauptstadt von Portugal. Wir besichtigten das Rathaus, einen wunderschönen romantischen Garten, der aus einem ehemaligen Klostergarten heraus entstanden ist, und den Dom; danach dürfen wir frei flanieren. Ich verziehe mich in Richtung Hafen und arbeite mich dann durch Seitengässchen vor in Richtung Treffpunkt, beim Zentralplatz. Auch hier grüssen mich die Einheimischen freundlich, und sie freuen sich sichtlich, dass mir ihre Heimat gefällt.

Nach dem Bummel fahren wir zum Essen in ein Viersternehotel direkt an der Bucht, wo wir unter anderem Alcatra geniessen, ein Rindfleisch-Schmorgericht. Etwas früher als geplant scheucht uns Paula weiter zum Monte Brasil: Es sieht aus, als ob sich die Wolken verzögen – mit etwas Glück könnten wir auf dem Rückweg noch mal zum Aussichtspunkt auf dem Kraterrand fahren.

Erst aber muss der Bus durch das Nadelöhr der Festung vom Monte Brasil – und ehrlich, ich hätte da nicht mit dem PW durchfahren mögen. Schafft Diego aber hin und zurück mit Bravour. Die Aussicht auf die Stadt und die Lava-Ausläufer ist herrlich, von daher hat sich das Atemanhalten gelohnt.

Die weitere Fahrt führt durch das älteste Dorf der Insel, und wir erfahren mehr über das grösste aller Feste auf der Insel: Das Fest des heiligen Geistes. Dieses findet jeweils an Pfingsten statt und ist quasi ein Dank- und Bettag. Das Fest wird jeweils in den einzelnen Gemeinden von einer Gruppe aus der Bevölkerung vorbereitet. Diese sammeln das ganze Jahr über Spenden von der Bevölkerung und sammeln diese in den Kappellen des heiligen Geistes, in bunten Häuschen, die an der Taube oder der Krone auf dem Dach erkenntlich sind. Vor Pfingsten wird dann alles umgewandelt in Brot, Fleisch, Milch und weitere Getränke, diese werden dann an Pfingsten gratis an die Bevölkerung abgegeben. Das Ganze soll ein direktes Dankeschön an Gott sein, der die Menschen hier in Form des heiligen Geistes vor Vulkanausbrüchen, Erdbeben und weiteren Unbill schützt.

Offenbar ist der heilige Geist auch uns wohlgesinnt: Wir können tatsächlich noch auf den Kraterrand hochfahren, auch wenn wir von einigen Kuhherden ausgebremst werden. Die Kühe laufen hier relativ frei herum, wobei die meisten einen Peilsender tragen. Wenn sie auf der Strasse latschen und es kommt ein Auto, fädeln die sich automatisch rechts ein. „Verkehrserziehung!“, meint Paula, die uns schon vorher erklärt hatte, dass Stau hier auf der Insel heißt, dass die Kühe im Weg waren.

Oben auf dem Kraterrand haben wir um diese Uhrzeit leider Gegenlicht, aber das Panorama auf das riesige Patchwork, das hier die Felder bilden, ist atemberaubend. Diese typische Art der Landschaft geht übrigens zurück auf die ersten Siedler, die den Auftrag hatten, die Insel landwirtschaftlich urbar zu machen, damit die Schiffe auf der Fahrt nach Asien, Afrika oder Amerika hier Wasser und Vorräte aufnehmen konnten. Sie rodeten die Felder und stapelten die Steine an den Rändern – so entstanden die bekannten Trockenmauern. Erst später erkannten sie, dass diese Mauern auch ganz nützlich waren als Windschutz. Wobei an exponierten Stellen auch Bambus oder japanische Sichelzedern zum Einsatz kamen. Letztere hatten zudem den Vorteil, dass sich das schnellwachsende und leichte Holz zu Kisten verarbeiten liess, mit denen die damals hier angebauten Orangen nach Europa verschickt werden konnten. Japan war damals hoch en vogue, und die Europäer kauften die Orangen von den Azoren, in den Kisten aus japanischen Zedern, zu Höchstpreisen – im Glauben, etwas original Japanisches zu erstehen …

Zahlreiche weitere Pflanzen, die heute auf der Insel heimisch sind, wurden von Schiffen hergebracht und von den Einheimischen im Tausch gegen Lebensmittel und Wasser erworben. Nicht nur Nutzpflanzen, auch Zierpflanzen – gemäss Paula, weil den Leuten das ewige Grün auf den Keks ging. Und auch wenn jetzt Winter ist, sieht man hier tatsächlich immer noch viele Farbtupfer. Was den Vorteil hat, dass man für die Feste immer genügend Dekomaterial hat.

Wie sagen die Azoren-Bewohner über Terceira? Die Azoren bestehen aus 8 Inseln und einem Vergnügungspark. Paula findet das gemein. Und grinst über das ganze Gesicht.

3 Gedanken zu „Kanaren – Azoren, Tag 11: Terceira“

  1. Liebe Lovey
    herzlichen Dank für die interessanten Berichte und die schönen Bilder. DAs muss eine überwältigend schöne Reise sein. Noch viel Spass und alles Liebe und Gute aus der Schweiz

  2. Hallo Schnüff,
    Dein Ausflug ins Inselparadies scheint sich ja offensichtlich zu lohnen und könnte auch mich reizen, einmal hinzureisen. Geniesse noch den Abschluss Deiner Reise. Bald kommt die Rückkehr ins Alltagsleben und dann liegen die schönen Erinnerungen bereits im “letzten Jahr”. Noch alles Gute und leinen fröhlichen Jahreswechsel. Bitte nicht ins Wasser fallen!

    Liebe Grüsse

    Daddy

  3. Ja liebes Tagebuch,
    ist schon interessant was von einem Ausflug so hängenbleibt : neblige Aussicht, Kühe auf der Strasse, Krippenfiguren in der heiligen Saison und Carfahrer die zentimeter-genau an Hausmauern vorbei cruisen > hatten die Passagiere im Bus überhaupt gemerkt wie eng es da herging ? Möglich ?
    Anderes Thema : hat es auf den Azoren keine Produkte mit AOC ? Azoren-Original-Contollée ? Zum Beispiel : süssen Weisswein oder herber Kräuterlikör ? Oder irgendein Arme-Leute-Eintopfgericht ?
    Logisch, ich bin ein lebensmitteltechnisch-neugiriger Nerd, welcher auch mal gerne zu tief in einem Weinglas die Korkreste analysiert und dabei feststellt, dass der Korkzapfen unbedingt in der richtigen Drehweise herausgezogen werden müsste ….
    weiterhin viel Neues & Unbekanntes & Lebendiges, wie auch Abgekochtes und Unbehauenes der mir unbekannten Inselwelt > bin gespannt wie ein Setzbölle auf den nächsten Blog
    mvG Kronenrolf
    ( Musikbegleitung der Fotos macht Fortschritte in meine gewünschte Richtung, weiterso ! ? )

Kommentare sind geschlossen.