Kanaren – Azoren, Tag 9: Saõ Miguel

Spread the love

Ein Traum wird wahr

Seit ich vor Jahrzehnten Bilder von den Azoren sah, hatte ich den Wunsch, einmal hierhin zu fahren und hier zu wandern, entlang den kilometerlangen Hortensienstauden mit ihrem wunderbaren Blau. Obschon ich die Inselgruppe nie von meiner Bucket List strich, war natürlich jahrelang an so was nicht zu denken – mein Knie hätte das nie mitgemacht. Seit ich das künstliche Knie habe, hat sich die Situation wieder verändert, die Erfüllung dieses Wunsches rückte wieder näher.  Und als ich sah, dass ich auf der AidaVita Weihnachten UND Silvester verbringen und erst noch die Azoren anlaufen konnte, war mir klar: Diese Chance ergreife ich, auch wenn die Blütezeit der Hortensien um diese Jahreszeit vorbei ist.

Grün würde es auf Saõ Miguel auch um diese Jahreszeit sein, das wusste ich:
Die Temperatur sinkt hier nie unter 8 Grad, und Niederschläge haben sie hier mehr als genug (wie viel, sollte ich noch entdecken). Und irgendwas blüht hier immer. 

Blieb die Frage, ob ich mit meinem Knie bei der Wanderung mithalten konnte. Zuhause mache ich inzwischen ja einige Walks querfeldein und über Stock und Stein – aber da latsche ich in meinem eigenen Tempo, auf selbstbestimmten Routen. Und auf früheren Kreuzfahrten hatte ich die Erfahrung gemacht, dass das, was als „herausfordernd“ (bzw. Stufe 4) gekennzeichnet war, durchaus zu schaffen war – und diese Tour war nur Stufe 3. Also meldete ich mich schon von zu Hause aus an, sprach dann aber zur Sicherheit an Bord mit einem der Scouts, der meinte, das würde ich sicher schaffen – allenfalls wenn es regnen sollte, wäre es wohl klüger zu verzichten, weil es dann sehr rutschig werden könnte. Nun, der Wetterbericht klang gut – auch wenn das nicht so viel heisst hier: Das Wetter ist so abwechslungsreich wie die Landschaft, lernten wir später.

Was mir nicht klar war  – und offenbar auch dem Scout nicht:
Die letzten Tage gingen sehr heftige Niederschlage runter, und da der Mutterboden hier nur 20 bis 30 cm dick ist (darunter liegt Lava) kann der Boden das ganze Wasser nicht aufnehmen. So verwandeln sich Wanderwege in Bachbett (Brig lässt grüssen – Familien-Insider!), Heidekraut-Felder in Schwämme, Schlamm in Schmierseife. Kam dazu, dass unser local Guide, eine Deutsche, ab ging, als wäre die Wilde Jagd hinter ihr her. Ich hatte zwar meinen Klappstock vorbei und kam sehr gut voran – aber viel langsamer als die anderen, weil ich halt meine Schritte sehr bewusst setzen musste. Ich trug meine Barfuss-Trekking-Schuhe, was mir in diesem Fall sehr entgegen kam, weil ich sehr direkt spürte, was der Boden unter mir machte, und entsprechend schnell korrigieren konnte. Wir sollten gleich zu Beginn die grösste Steigung erklimmen, und aufwärts gehe ich grundsätzlich gerne, trotzdem meldete ich mich bei der ersten Aussichtspause und wies darauf hin, dass das Tempo für mich zu schnell sei. Margrit, die Reiseleiterin, meinte nur, sie würde immer mal wieder auf mich warten, und ich merkte, wie meine Freude schmolz und sich Angst breit zu machen begann. Die waren zeitweise so weit vor mir, dass ich gar nicht sah, wo sie durchgingen …

Zum Glück war bei dieser Tour auch ein Scout von er AidaVita mit dabei:
Sabrina Klaus liess sich jeweils das nächste Wegstück erklären und blieb bei mir. Und dann schloss sich uns noch ein Ehepaar an, Rainer und Hildegard, wenn ich das richtig verstanden habe. Die beiden hatten sich erst gestern für diesen Ausflug angemeldet, weil Hildegard nicht sicher war, ob sie das konditionell schaffen würde. Ihr Mann war aber sehr zuversichtlich – und leitete uns alle umsichtig und mit viel Ruhe. Mehr noch: Er wies immer wieder darauf hin, dass wir uns auch Zeit nehmen und die Aussicht geniessen oder Fotos schiessen sollten. Und das lohnte sich wirklich! Die Landschaft war atemberaubend: So intensive Grüntöne habe ich noch selten gesehen, und die Lichtspiele über den zahlreichen Kraterseen waren der Hammer.

Jetzt, wo ich nicht mehr Angst haben musste, den Anschluss zu verpassen, war ich auch wieder sicherer unterwegs, und ich hätte wohl den ganzen Weg ohne Hilfe geschafft, wenn es hätte sein müssen; nahm aber an drei oder vier Stellen dankbar eine stützende Hand an, die es mir leichter machte. Beim ersten grossen See schlug Margrit dann drei Varianten vor: Man konnte da eine Pause machen, weiterwandern zu einem Aussichtspunkt, wo man zwei weitere Seen sehen konnte – und die ganz Schnellen konnten da auch rumdüsen. An sich wäre ich ganz gerne zum Aussichtspunkt gewandert, aber da ich wusste, dass wir alles, was wir bis dahin hochgekraxelt waren, auch wieder runter mussten – und dass das wohl in Anbetracht der Verhältnisse noch anstrengender werden würde, entschied ich mich für die Pause. Rainer, der mein Zögern bemerkte, fand einen wunderbaren Kompromiss: Er nahm meine Kamera mit zum Aussichtspunkt und schoss ein paar fantastische Fotos für mich. Und lotste dann mich und Hildegard sicher nach unten, während Sabrina das Schlusslicht bildete und mir versicherte, dass ich mich wirklich nicht zu beeilen bräuchte, wir lägen sehr gut im Programm.

Mit dem Bus fuhren wir weiter zum blauen und grünen See, spazierten dann durch ein malerisches Dörfchen mit einer neugotischen Kirche und phänomenalen Krippeninstallationen,  ehe wir zurück zum Hafen fuhren. Unterwegs erfuhren wir, dass Margrit heute tatsächlich extrem zügig unterwegs war: Durch ein Versehen wurde sie für zwei Gruppen gebucht und musste um 13.30 ein zweites Mal los.

Wäre irgendwie noch nett gewesen, wenn sie uns das vorher gesagt hätte, dann hätte ich mich weniger schuldig gefühlt, dass ich die Gruppe aufgehalten hatte. Wobei Rainer meinte, sooo schlimm sei das nun wirklich nicht gewesen. Und eigentlich habe ich mich auch sehr gefreut, wie gut ich abschätzen könne, was ich mir zutrauen kann, wo ich sicher auftreten kann und wo ich besser einen kleinen Umweg mache. Aber ganz ehrlich: Dank ihm, Hildegard und Sabrina habe ich die Wanderung richtig geniessen können. Das Knie hat super mitgemacht, ich hatte keine Schmerzen – nur nasse Füsse und nasse und sehr dreckige Hosenbeine! Aber das kenne ich ja aus Schottland. Oder eben vom Briger Bad her 🙂

Kurz überlegte ich, ob ich erst aufs Schiff gehen und mich umziehen sollte, entschied mich dann aber dagegen und ging vom Bus direkt zurück in die Stadt, Ponte Delgada, wo ich etwas rumbummelte, die schönen Kopfsteinpflastermuster bewunderte, die warme Sonne genoss und einfach nur glücklich war.

Gegen 16 Uhr war ich zurück auf dem Schiff, ass eine Kleinigkeit und begann die Fotos für den Blogpost zu bearbeiten. So sah ich dann, dass meine Heinzelmännchen nicht nur die schöne Aussicht fotografiert hatten, sondern klammheimlich auch mich, von hinten …

Nach einem feinen Znacht (Artischockensalat, Peperonigemüse und Garnelen vom Grill, zum Dessert Käse mit Feigensenf und Pumpernickel) traf ich mich mit Robert, einem der Bordfotografen: Wegen meiner Haarfarbe wollte er gerne mal ein Charaktershooting machen, vor schwarzem Hintergrund, sehr reduziert. Bild ist wieder super geworden! Da müsst ihr euch aber noch gedulden: Ich hole die Fotos am Ende der Reise digital ab und werde dann einem letzten Blogpost damit zusammenstellen – quasi eine Encore der Reise aus der Sicht des Fototeams 🙂

Weiterführende Links: 

3 Gedanken zu „Kanaren – Azoren, Tag 9: Saõ Miguel“

  1. Ja das Wetter macht es einem nicht immer leicht. Wichtig ist aber, dass Du es anfasst und nach Deinen Kräften einteilst. Weiterhin Kopf hoch und machen was Dir gut tut!

    Daddy

  2. Liebes Tagebuch,
    schöne Bilder, interessante Story, dazu weiterführende Links sind auch sehr hilfreich ( Kachelmann ), fast 100 % -ig zum weiterempfehlen > nur ein kleiner Hinweis : zum Glück funktioniert mein Lautstärke-Knopf ! ich kann ihn jederzeit von Mute zurückschalten. Dieses unsägliche Video-Gesäusele treibt mir die Haare elektrisch in den höchsten Himmel. Wo bleibt die folkoristische Musik der Azoren ? Ein Souvenirshop verkauft doch sicher irgendweiche CDs ? Oder eigene Tonaufnahmen, das Geflutsche unter Deinen Barfusssohlen, das Blöken der Schafe, das stille Schlagen der kleinen Wellen am blauen See, das einheimische Stimmengewirr auf dem Marktplatz, das scheppernde Gelärme der Schöpfkellen am grossen Schiffsbüffet, die hilfreichen Ansagen der Scouts und die erklärenden Worte der deutschsprechenden Guides, das Hornen der AidaVita und ähnliches mehr.
    Hinweis : Auf Apple-Foto kannst Du Deine eigene Musik ( iTunes ) zum Video hinzumischen. Möglicherweise geht das auch bei Vimeo ?
    Ich freue mich schon jetzt auf die neuen Bilder und Töne.
    weiterhin schöne Ferien mit freundlichen Grüssen kronenrolf

Kommentare sind geschlossen.