Zum dritten Mal nahmen Moesha und ich am Bieler Nachtlauf teil – zum zweiten Mal über 10 Kilometer (bei der ersten Durchführung waren es elf). Und bis kurz vor dem Start war in meinem Fall unsicher, ob ich überhaupt antreten könnte. Die Pollen machen mir dieses Jahr extrem zu schaffen, ich habe, neben den üblichen Symptomen wie laufende Nase, kratzende Augen, Asthmahüsteln etc. ständig erhöhte Temperatur.
Und als ob das alleine nicht genug gewesen wäre, fiel auch mein Impftermin genau auf diesen Tag. Je nu, wir waren angemeldet, Zimmer hatte ich auch gebucht, wenn alles schief laufen sollte, könnte ich ja immer noch für Moesha und meine Neffen fangen: Die beiden Jungs sollten, gemäss Datasport, über 100 Kilometer starten.
Die Anreise verlief ansonsten schon fast traditionsgemäss: Treffpunkt im Blueberry; Znacht im Speisewagen: Ein feines vegetarisches Tatar und Gehacktes mit Hörnli und Apfelmus, schwesterlich geteilt. Und wir schafften es gemeinsam, den extrem gestressten Kellner, der von Gästen am Nachbartisch zusätzlich genervt wurde, zum Lächeln zu bringen.
Der Bus zur Tissot-Arena war gestossen voll, wir mussten stehen. Aber umfallen hätten wir auch nicht können, so dicht, wie wir standen. Immerhin machten wir so auch gleich wieder die ersten Bekanntschaften – neben uns quetschte sich ein Paar auf die Gepäckablage, das den 100er zusammen laufen wollte.
Vor dem Start
Das Siegerfoto nahmen wir, realistisch, wie wir nun mal sind, VOR dem Rennen auf. Das würde ja wohl unsere einzige Chance sein, dem Ding näher zu kommen, auch wenn Moesha im Aufbau ist, im Gegensatz zu mir. Ich war dieses Jahr bis jetzt immer langsamer unterwegs als letztes Jahr. Entsprechend schätzte ich meine Laufzeit auf knapp unter 110 Minuten. Und, schimpfte ich nach einiger Zeit, wenn die mich noch einmal vergeblich ums ganze Stadion jagen, wird es noch später!
Aus Sicherheitsgründen war nämlich der Zugang zu den Garderoben geändert worden, damit die Leute nicht alle am aufgereihten Gepäck vorbeilatschten. Nur: Dieser Zugang war nicht signalisiert … Hrmpf! Mein Schrittzähler meldete jedenfalls schon Stunden vor dem Start: Sie haben Ihr Aktivitätsziel erreicht. Nope – ich habe noch nicht mal angefangen!
Wir amüsierten uns bei den Sponsoren, tranken noch etwas, schauten den anderen Kategorien bei den Starts zu (in erster Linie wegen der schmucken Jungs von den Jets) und Moeshas Adlerauge schaffte es tatsächlich, meinen Bruder und Mario im Getümmel zu entdecken, so dass wir letzterem einen guten Start wünschen konnten – und Moesha meinen Bruder um Tipps bitten konnte, wie sie sich auf den Hunderter vorbereiten könnte. Denn was letztes Jahr noch nach Spinnerei klang, hat sich bei ihr verfestigt: Einmal will sie den Hunderter absolvieren.
Wir staunten, einmal mehr, wie viele Leute den 100er unter die Füsse nahmen – alleine, als Paar oder als Stafette. Und wunderten uns über die Soldaten, die sich, weil es sonst offenbar zu wenig anstrengend gewesen wäre, noch je einen Baumstamm auf die Schulter hievten. Leider verpasste ich den Moment, die zu fotografieren – hoffe, da findet sich dann ein Bild bei den offiziellen Fotos.
23 Uhr – es geht los!
Wie üblich reihten wir uns unterschiedlich ein: Moesha vorne bei den Läufer:innen, ich bei Walking und Genuss-Joggen, ganz hinten. Was ich mir erhofft hatte, trat ein: Die Nachtluft war angenehm! Zwar lief die Nase, aber ich konnte gute atmen und hatte den Eindruck, relativ zügig unterwegs zu sein; ich überholte auch einige auf den ersten Kilometern.
Die Stimmung war einmal mehr herrlich – sowohl unter den Läufer:innen als im Publikum. Streckenposten und Zuschauende feuerten einen an, abwechslungsweise Deutsch oder Französisch, einige liessen Musik laufen und nutzten die Gelegenheit für ein Picknick im Park, der zur Omega-Halle führt (mein liebstes Streckenstück). Kurz vor der Halle kamen mir bereits die ersten Läufer:innen entgegen, und ich machte mein Handy parat, in der Hoffnung, Moesha rechtzeitig zu sehen und zu knipsen. War aber nicht schnell genug 🙂
Immerhin: Sie sah mich und feuerte mich lauthals an!
Bei der Rotunde zeigte die Uhr 23.45, und ich freute mich, bis mir einfiel, dass ich da noch gar nicht in der Hälfte war, weil da ja noch diese Zusatzschlaufe kam, mit der völlig sinnentleerten Runde um den Parkplatz. Immerhin: Da es ein recht milder Abend war, und zu meiner Überraschung immer noch trocken (der Wetterbericht war eher mau), standen hier viele Leute vor dem Clubs und Bars und feuerten die Läufer:innen an.
Nur einer meinte, witzig sein zu müssen, zeigte mit der Bier-haltenden Hand auf mich, gähnte demonstrativ und tat so, als ob er den Kopf zum Schlafen auf die Arme legen würde, während er sagte: Schaut die mal an, die pennt ja gleich ein! Ich blaffte zurück: Bin allemal noch schneller als du! Worauf einige klatschten und mich lobten: Gut gekontert! Yay!
Beim zweiten Mal an der Rotunde vorbei sah ich keine Zeit, also walkte ich einfach brav weiter, und genoss den zweiten Bonus von Nachtläufen, neben der angenehmen Luft: Ich sehe immer wieder meinen eigenen Schatten und kann damit meine Haltung korrigieren. Das entlastet mein Knie enorm.
Allerdings wurde ich jetzt auch etwas langsamer. Nicht, weil ich Schmerzen oder Atemnot hatte, sondern weil die Halbmarathon-Läufer:innen in immer grösserer Zahl an mir vorbeizogen. Und es ist natürlich Ehrensache, dass ich als Langsam-Walkerin an engen Stellen Platz mache oder halt eben Aussen rum gehe, damit sie die Dirtettissima nehmen können. Was aber auch hier herrlich ist: Einige von denen haben noch genügend Pfaus, um mir ein “Bon Courage” mit auf den Weg zu geben. Ich liebe es!
Kurz vor 1 Uhr: Ankunft im Ziel
Der letzte Kilometer ist signalisiert – und führt durch einen sehr schlecht beleuchteten Parkplatz. Ich muss tierisch aufpassen, wo ich hintrete. Kaum komme ich von da wieder auf die Strasse und ins Licht, machen sich Moesha und Stitch bemerkbar – hörbar verblüfft, weil sie gedacht hatten, mir etwas weiter entgegenlaufen zu können. Und so gingen wir dann Hand in Hand durchs Ziel, zur grossen Freude der Speakerin, die das Bild schön fand. Und ja, die Zeit war besser als befürchtet, wenn auch nicht so sensationell gut wie letztes Jahr.
Moeshas Zieleinlauf war übrigens – wer uns regelmässig liest, weiss das – kein Einlauf, sondern einmal mehr ein Rad. Habe sie auch auf der Strecke gemacht, zur grossen Freude des Publikums. Sie und Stitch fallen ja sowieso überall auf, sie kriegt jede Menge Zurufe. Mal sehen, ob das Rad bei den offiziellen Fotos dabei sein wird. (Nope – war nicht)
Wir wechselten kurz die Schuhe, tranken etwas und nahmen den Bus zurück zum Bahnhof. Ich hatte erneut im Cityhotel gebucht, auf der Rückseite des Bahnhofs. Einlass via Türcode, Unterlagen zum Check-in an der Rezeption hinterlegt, klappte alles bestens. Etwas überrascht, als wir bei Aussteigen aus dem Lift über Maler-Abdeckungen stolperten: Da wird gerade fleissig renoviert und gestrichen. Was uns zwar ein schönes Zimmer, aber auch starken Geruch nach Farbe und/oder Lösungsmittel bescherte. Zum Glück auf dem Gang schlimmer als im Zimmer.
Geschlafen haben wir, einmal mehr, nicht allzu viel: Auch wenn der Körper müde ist, sind wir nach einem derartigen Lauf aufgeputscht und können nicht gleich einschlafen. Aber es tat gut, die Beine auszustrecken.
Und wie läuft es bei den Jungs?
Was wir uns natürlich auch nicht nehmen liessen: Die beiden Neffen online zu tracken. Und, unbekannterweise, aber nicht zum ersten Mal, Fabian Wymann, der jeweils bei der Suche mit auftaucht. Fabian, falls du das liest: Du warst auch super!
Wir standen kurz nach sieben auf und gingen gegen acht zum Frühstück. Mit Rührei, Speck und Würstchen und natürlich, in meinem Fall, Kaffee, läuteten wir den Tag ein. Frisches Obst, diverse Müeslisorten, Käse und Aufschnitt sowie eine knusprige Brotauswahl machten die weiteren Entscheidungen etwas schwieriger, aber sehr angenehm.
Kurz bevor wir den Zug zurück nach Zürich bestiegen, waren die Jungs bei Kirchberg vorbei – und hatten damit über die Hälfte der Strecke hinter sich.
Bis zur nächsten Zeitmessung, in Bibern, dauerte es allerdings: 25 Km sind auch ohne die zuvor zurückgelegte Strecke in den Beinen kein Pappenstiel …
In Zürich trennten sich unsere Wege, aber noch bevor ich Zuhause war, konnte ich vermelden: Mario ist im Ziel! Mit gut dreizehnenhalb Stunden ziemlich genau seiner Schätzung entsprechend. HAMMER!
Ach ja: Sieger bei den Männern war Armin Flückiger, mit 6:54:45.6, bei den Frauen Claudia Bernasconi, mit 8:25:36,5
Während Remo tapfer weiter lief – ich sah seinen Durchgang bei Bibern – machte ich ein Mittagsschläfchen, um anschliessend den Schluss am Computer mitzuverfolgen: Durchgang Pieterlen – YAY! Und dann, kurz nach 16 Uhr, Durchgang bei den letzten 100 Metern und ZIEL, nach 18 Stunden und 8 Minuten. WAHNSINN!
Ein Blick auf die Rangliste lohnt sich übrigens: Da laufen Menschen bis ins hohe Alter – der Älteste, der innerhalb der Zeitlimite ins Ziel kam, ist über 80, bei den Frauen ist es eine über 75-Jährige.
Die Zahl von DNF – Did not Finish – ist, wen wundert es, extrem hoch. Aber ich stelle mir vor, wie sich das anführt, je nachdem, wo abgebrochen wird. Im ersten Moment ist der Frust sicher gross. Aber ich hoffe, die Leute können sich mit der Zeit freuen für das, was sie geschafft haben – einen Halbmarathon? einen Marathon? Mehr als 50 Kilometer? Meinen Respekt haben sie alle!
Inzwischen bin ich ausgeschlafen, Impfarm schmerzt nur leicht, Knie ist brav, links ist ein Muskel etwas angesäuert (so ganz ohne Schonhaltung war ich offenbar nicht unterwegs) und ich bin happy.
Fazit für Summits4Hope
Moehsa brauchte knapp 58 Minuten, ich knapp 103. Damit gehen weitere 161 Franken an unser Herzensprojekt. Wer unsere Leistung oder jene der Jungs honorieren will, darf das gerne mit einer eigenen Spende tun:
© offizielle Lauffotos: Alphafoto.com
PS für Moesha:
Aufbautipps für den 100er
Spitze was ihr beide und die Jungs hier geleistet. Ich habe die Bieler Lauftage nie mitgemacht, mit Mami aber viele andere Walkinganlässe gelaufen. Den Ehrgeiz von Mami habe ich oft bremsen müssen und gesagt: mitmachen und ans Ziel kommen ist wichtiger als der Rang. Euch beiden Mädels und den Jungs wünsche ich weiterhin viel Erfolg mit Euren Läufen.
Daddy