Frauenlauf 2016 – Run for Fun (10 km)

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Freud und Leid liegen sehr nah bei einander

Als ich mich für den #Frauenlauf angemeldet hatte, war ich erst wenige Wochen wieder im Training – vorher lief immer noch die Reha nach der Knie-OP. Mir war klar, dass ich mehr als 5 km schaffen konnte – war aber unsicher, ob ich die 15 km Walking innerhalb der geforderten 150 Min. hinkriegen würde. Zum Glück musste ich mich nicht entscheiden, denn neu gab es dieses Jahr eine Kategorie «Run for Fun – 10 km»: ohne Zeitlimite, ohne Rangliste – allenfalls auf Wunsch mit einem SMS über die erreichte Zeit. Perfekt!

Die Anreise verlief entspannt: 
Ich verfasste im Zug den grössten Teil von zwei Artikeln für die Botschaft (über den Nationalen Tag der Offenen Gärten und das Jubiläum 40 Jahre Musikschule … Links folgen), traf kurz vor 21 Uhr im Hotel Kreuz ein und genoss deren hausgemachte Chips mit Satay-Spiessli, und zum Dessert natürlich zwei der legendären Öpfelchuechli. Auf dem Zimmer schrieb ich die Artikel fertig, suchte die passenden Bilder aus und verschickte alles termingerecht an die Redaktion. So konnte ich beruhigt einschlafen und musste den Wecker nicht auf unziemlich früh stellen.

Nach einem feinen Zmorgen und lustigen Gesprächen mit anderen Läuferinnen machte ich mich startklar – ohne Regenjacke! – und ging dann, auch das inzwischen eine meiner Traditionen, ins Café im Park, auf der Schanze. Dort genoss ich entspannt meinen Latte, beobachtete die ambitionierteren Läuferinnen beim Einlaufen und nutzte, bevor ich mich dem Startblock 13 anschloss, deren Toilette. Toi-toi Totioi, sozusagen 🙂

Die Stimmung im Startblock war super:

Wir amüsierten uns über die vielen Geburtstage, tauschten letzte Tipps aus, brachten ein paar ganz passable Wellen zustande – und dann ging es los, pünktlich 6 nach 10. Ich rechnete, wenn’s gut lief (also analog der Resultate von Kerzers und dem Aargauer Volkslauf) mit einer Zeit von ca. 106 Minuten, wollte aber versuchen, endlich wieder einen Pace unter 10 zu erreichen. Zu diesem Zweck hatte ich mir extra eine Playlist mit lauter 140-BPM-Musik auf den iPod geladen.

Hola die Waldfee

Bereits beim Start wurde mir klar, dass die Läuferinnen und ich offenbar ganz unterschiedliche Vorstellungen von FUN hatten – die gingen ab wie die Raketen! Eine Zeit lang gelang es mir, Sichtkontakt mit einem Sehbehinderten-Guide-Paar zu halten, aber selbst die waren schon vor Kilometer 2 verschwunden. Ich war zwar etwas verblüfft, aber noch nicht beunruhigt: Ich trainiere ja auch alleine und brauche keine Gesellschaft. Allerdings hatte ich die – und zwar zunehmend nervend: Der Besenwagen begann, Druck zu machen, und kurz vor Kilometer 3 teilten sie mir mit, ich sei zu langsam, sie würden jetzt überholen. Ich könne entweder aufgeben oder weitermachen, einfach am Rand, aus Sicherheitsgründen. Das irritierte mich zwar ein wenig, hatte ich ja genau diesen Lauf ausgewählt, weil eben gerade KEINE Zeitguillotine eingebaut war, aber hey, das ist Bern, ich kenne mich aus, ich kann das auch ohne die. Sahen die aber offenbar anders:

Bei Kilometer 3 soll ich raus.

Ein Offizieller fährt mit seinem Rad neben mich und erklärt mir, dass ich störe (!): Die 5-km-Läuferinnen seien gestartet, und wenn ich so weitermache, könne es passieren, dass ich genau dann ins Ziel käme, wenn Publikum und Speaker auf die Erste der Schnellen warte, und die wären dann enttäuscht, wenn stattdessen ich käme, die Letzte der 10-Kilometerstrecke. Echt jetzt? Selbst ein Laienpublikum mit regennasser Brille würde von Weitem erkennen, dass ich wohl kaum die Siegerläuferin wäre – und einem offiziellen Speaker wäre es zuzumuten, die Startnummer richtig einzuordnen.

Ich erklärte ihm, dass ich nicht vor hatte, aufzugeben. Dass die Kategorie als offen geführt sei und ich mich extra deswegen angemeldet habe, dass ich gleich viel bezahlt habe wie die anderen Läuferinnen und von daher das gleiche Recht hatte wie diese, meinen Lauf fortzusetzen. Im übrigen würde ich am Rand laufen, so dass ich für Überholende kein Hindernis sei. Er versuchte abzuwiegeln, ich solle mich nicht aufregen, wenn ich wolle, könne ich natürlich fertig laufen – allenfalls würde er mich dann halt zur Seite nehmen, dann müsse ich warten, bis die schnellen Läuferinnen vorbei wären.

Ich regte mich dennoch auf.

Wieso schreiben die eine offene Fun-Kategorie aus, wenn die das nicht handeln können? Ja, es hiess Run für Fun, nicht Walk for Fun (diese Kategorie gibt es nicht, ebenso wenig wie eine Walking-Kategorie über 10 km), aber eben: Ohne Zeitlimite. Erst Mal versuchte ich, meinen Rhythmus wieder zu finden und freute mich über die Streckenposten und das Publikum, das – im Gegensatz zu den Aussagen des Offiziellen – durchaus nicht irritiert war, sondern mich anfeuerte und aufmunterte. Selbst die Musiker, die schon am Zusammenpacken waren, schnappten sich die unverpackten Instrumente und brachten einen Trommelwirbel zustande, als ich vorbeizog.

Und ich lief gut!

Zwar lief ich ohne Uhr, aber ich konnte dem Takt der Musik problemlos folgen, war locker in den Gelenken und überraschend schmerzfrei. Es schien, als ob durch mein funktionales Training endlich meine einseitige Haltung ausgeglichen worden war, ich musste viel weniger über den Kopf korrigieren. Etwas überrascht stellte ich plötzlich fest, dass ich ein Besenvelo hatte. Keine Ahnung, wie lange schon – denn im Gegensatz zum ersten Funktionär war dieser sehr rücksichtsvoll, drängelte nicht und sprach mich erst an, als ich vor lauter am Rand gehen fast hinter eine Abschrankung geraten wäre. Das Wetter war kein Problem, es nieselte zwar leicht, störte aber kaum. Der Boden war, trotz der heftigen Niederschläge der letzten Tage, nicht tief, ich bin kein einziges Mal ausgerutscht. Also alles in Butter? Fast!

Knapp 300 m vor dem Ziel musste ich raus!

Beim Theaterplatz ermunterte mich mein Besenvelo: «Wenn du nur ein wenig zugeben kannst, schaffst du es, bevor die Schnellen kommen!» Ich zog an und hätte es fast geschafft – da kam der erste Offizielle, drängte mich ab und stellte mich raus: Ich müsse warten, bis die Polizei die Strecke wieder frei gebe. Aus der Ferne hörte man den Speaker, dass die erste Läuferin demnächst eintreffen werde, aber es dauerte mindestens 2 Minuten, bis diese eintraf und an uns vorbeizog, dicht gefolgt von Maia Neuenschwander. Es schlug 11.45 und ich wusste: Ich hätte die Zeit unter 100 Minuten geschafft.  Und ja, die Strasse wäre breit genug gewesen, dass die Läuferinnen an mir vorbeigekommen wären, aber der Offizielle wollte davon nichts wissen. Erst als rund 30 Läuferinnen vorbei waren, gab er mir die Erlaubnis, weiter zu gehen. Ich fühlte mich gedemütigt – und war gleichzeitig extrem wütend. Das Publikum hatte übrigens keine Probleme mit mir, im Gegenteil: Die feuerten mich extrem an, gratulierten mir, dass ich durchbiss, und freuten sich, als ich die Ziellinie überschritt, mit mir.

1h 43.01 ist die offizielle Schlusszeit

Und ja, ich weiss, eigentlich ist es völlig unwichtig, ob das jetzt unter 100 Minuten ist – oder knapp drüber.  Natürlich bin ich immer noch furchtbar langsam, und ich werde wohl kaum mehr wesentlich schneller werden. Und doch: Nach meiner Knie-OP ist es eine tolle Leistung, und ich bin stolz darauf. Dennoch ärgert es mich, wie ich behandelt wurde. Wenn die eine offene Kategorie einführen, dann sollten sie auch fähig sein, damit umzugehen. Und wenn die erst durch mich gemerkt haben, dass sie offenbar eine andere Vorstellung von FUN haben, dann sollten sie wenigstens versuchen, etwas respektvoller mit der Situation umzugehen. So, wie das Publikum, zum Beispiel.

 

 

 

 

8 Gedanken zu „Frauenlauf 2016 – Run for Fun (10 km)“

  1. Catherin Imhof vom OK hat sich bei mir gemeldet und sich aufrichtig entschuldigt.
    Offenbar ist ganz am Anfang schon ein Fehler passiert: Die Bewilligung für die neue 10-Km-Strecke kam am Abend, bevor die Unterlagen an den Drucker gingen. In den AGBs war für diese Strecke eine Zeitlimite von 100 Min enthalten (bei der Ausschreibung allerdings wurde diese nicht vermerkt). Später hat man gemerkt, dass diese 100 Minuten nur bei den ersten Startblöcken eingerechnet waren – ausgerechnet beim Block Run for Fun waren es faktisch nur 85 Minuten bis zum geplanten Zieleinlauf der schnellen Läuferinnen. Daraufhin kontaktierte man alle 10-Km-Läuferinnen, die eine angestrebte Laufzeit zwischen 80 und 100 Minuten angegeben hatten, um ihnen einen Starplatz in einem früheren Block anzubieten. Ich fiel dabei aber aus dem Raster, weil ich eine Fantasiezeit über 100 angegeben hatte. Ihr hat es leid getan, dass man mich rausgenommen hat – v.a. auch, weil ich ja sogar die Richtzeit geschafft hätte, wenn man mich hätte laufen lassen. Und die Art und Weise der Kommunikation fand sie auch total daneben.

    Unter den über 700 freiwilligen Helfern “meinen” Offiziellen zu finden, dürfte aber schwierig sein … Macht aber nichts, denn es geht mir ja auch nicht um eine Hetzjagd, sondern eher darum, dass bei der Instruktion der HelferInnen für den nächsten Lauf das Thema Vision des Frauenlaufs und respektvoller Umgang mit den Teilnehmerinnen direkt angesprochen und vertieft wird.

    Und zu guter Letzt:
    Sie schenken mir den Startplatz für 2017. Damit ich ein neues, positives Kapitel Frauenlauf schreiben kann.

  2. Ein Grund, warum meine Frau nicht mehr am Frauenlauf teilnimmt, ist die Kommerzialisierung des Anlasses seit die Ryffel GmbH ihre Finger im Spiel hat (bei allem gutem was die auf die Beine stellen). Früher war es ein familiärer Anlass, Man(n) konnte mit den Kindern im Neufeld auf der Tribüne hocken und die ankommenden Frauen anfeuern. Elite gab es nicht und wenn, lief sie auch Idealismus mit und nicht wegen der Siegprämie. Heute ist der Frauenlauf nichts anderes als ein GP Bern Light, der Grundgedanke dahinter ist verloren gegangen.

  3. Ich bin empört! Weil ich auch langsam bin und das Recht auf Langsamkeit verteidigen möchte.
    Nein, wirklich! Da müssen die Organisatoren schon über die Bücher.
    Trotzdem DANKE, für diesen Bericht.
    Blanca

  4. Hallo tolle Läuferin
    Alle Achtung vor Deiner Leistung. Ein grosses Bravo! Das, was Du hier ansprichst ist genau das, wo mich immer mehr an den Laufveranstaltungen stört und genau aus diesem Grund, mache ich über den Frauenlauf, GP Bern etc.(die meisten Grossveranstaltungen) keine Reportagen mehr. Ehrlich gesagt, es ist mir zuwider mit solchen lausigen Argumenten, die Schnellsten kommen, Volksläufer, mit denen der Frauenlauf eben gross geworden ist, wegzuschupsen. Das ist eine Beleidigung für den Sport und eine Diskriminierung für jeden Läufer und jede Läuferin. Die haben es immer noch nicht begriffen, dass an solchen Veranstaltungen das nur hinhaut, wenn alle gleich behandelt werden, ob schnell oder langsam. Für mich ein grosses Pfui dem Veranstalter. Wenn man bedenkt, dass dahinter auch noch die Migros steckt, die ihr Label den Hausfrauen schmackhaft machen will, noch ein viel grösseres Pfui! Tut mir leid für Dich. Marcel Krebs Sport-heute.ch

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