Gegeneinander, nebeneinander oder miteinander?

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Seit einiger Zeit wird auf Twitter und in diversen Foren heftig diskutiert. Ausgelöst wurde die Diskussion durch Berichte über die Schiesserei in Newton, bei denen etliche Medien Adam Lanza als Autisten hinstellten und darin einen Grund zur Tat sahen – oder zumindest einen starken Bezug herstellten. Dabei wurden munter Beobachtungen von Nachbarn zu ärztlichen Diagnosen hoch stilisiert, Autismus wurde als schwere geistige Behinderung hingestellt, Zusammenhänge zu weiteren schrecklichen Taten wurden suggeriert …

Viele Menschen, die von einem Symptom des autistischen Spektrums betroffen sind, haben sich gewehrt. Die Diskussion kann unter dem Hashtag #Autismus und auf spezifischen Foren verfolgt werden. Zuerst schien es, als hätten sie sich Gehör verschafft: Der Spiegel, der durch einen besonders perfiden Artikel aufgefallen war, versprach einen Artikel, in dem Betroffene sich äussern konnten. Dieser erschien auch vor wenigen Tagen – zementierte aber gleich wieder neue Vorurteile, statt wirklich aufzuklären und zu zeigen, wo und wie Inklusion gelebt werden kann und muss.

Von Selbstreflexion der beteiligten JournalistInnen war sehr wenig zu spüren, und weitere Artikel in anderem Zusammenhang zeigten, dass das Bewusstsein schlicht nicht vorhanden ist, was genau Autismus ist, wie er sich auswirkt – und weshalb es enorm verletzend ist, Autisten als gefühlskalte, humorlose, aggressive Menschen hinzustellen, vor denen die Gesellschaft geschützt werden muss.

Ausführliche Berichte zu den Hintergründen findet ihr auf Quergedachtes, Autzeit oder Aspergerfrauen.

Was hat das Ganze mit mir zu tun?

Ich selber bin nicht Autistin – auch wenn ich als HSP (Highly Sensitive Person) durchaus einige Züge des Spektrums aus eigener Erfahrung kenne. Dennoch machte  und macht mich die ganze Diskussion betroffen: Ich spüre den Schmerz der Betroffenen, die sich immer und immer wieder rechtfertigen müssen; fühle den Druck, beweisen zu müssen, dass man keine potenzielle Gefahr sei; spüre die Müdigkeit, immer und immer wieder zu Wiederholen, dass Autismus keine geistige Behinderung sei – und Rain Man nicht die Verkörperung DES Autisten an sich. Und das passiert mir nicht nur im Umgang mit Autisten in meinem Bekanntenkreis – ähnliche, verletzende Reaktionen erlebe ich, wenn ich mit meiner Freundin unterwegs bin, deren MS ihre Bewegungen extrem einschränkt, und die deswegen oft behandelt wird, als sei sie betrunken oder geistig behindert. Und ich zucke zusammen, wenn ich in den Medien Pauschalierungen lese, wie sie in den oben genannten Berichten zu recht angeprangert werden.

Zudem sehe ich in meiner Eigenschaft als Apple Distinguished Educator (ADE), wie mit diesem Thema in anderen Ländern teilweise ganz anders umgegangen wird. Ich tausche mich regelmässig in Fachgruppen zum Thema «Special Needs» aus, und gerade in Grossbritannien oder in den Staaten unternimmt man sehr viel, um auch Kinder mit autistischen Zügen in die Klassen zu integrieren. Sie werden in ihrem persönlichen, anders gefärbten Lernen genau so zu unterstützt, wie man das bei Menschen mit visuellen, auditiven oder motorischen Einschränkungen macht. Es werden spezielle Apps entwickelt, LehrerInnen werden speziell geschult, unterstützende Personen sind anwesend. Natürlich hängt auch da vieles von der einzelnen Lehrperson ab, und auch hier kämpfen Elternvereinigungen und Betroffene stark für eine faire Berichterstattung in den Medien, für eine bessere Wahrnehmung der spezifischen Bedürfnisse etc. Weshalb diese bewusste Inklusion so wichtig ist, schildert dieser Artikel auf Autismuk.com sehr deutlich.

bigstock-Satin-awareness-ribbon-in-brig-26879726Setzen wir ein Zeichen:
nicht gegeneinander, nicht nebeneinander – miteinander!

Ich unterstütze die Aktion #RufnachInklusion, die Aleksander mit viel Engagement und Herzblut initiiert hat und nun mit Elan vorantreibt. Ich werde in den folgenden Tagen via Twitter immer wieder zu entsprechenden Texten verlinken und das eine oder andere Thema hier im Blog aufnehmen. Und selbstverständlich werde ich mich am Aktionstag selber äussern! Und falls DU zu diesem Thema etwas beisteuern kannst – umso besser! Bitte melde dich direkt auf der Seite #RufnachInklusion und gibt dort an, auf welche Weise du dich einbringen willst und kannst.

Zum Weiterlesen (auf Englisch):

Autism Awareness on Facebook

Autism Awareness Australia

Puzzled Ribbon – Autism Awareness 

(c) Fotos: Bigstockphoto