Griechenland und die Krise

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Grexit und Co

Es ist ein komisches Gefühl, wenn ich in den Online-Zeitungen und den Blogs lese, wie dramatisch die Situation in Griechenland sei – denn hier auf Zakynthos merkt man davon kaum etwas. Dina, die nette Griechin, die im Hotel das Frühstück serviert, meinte auf Anfrage, in Athen sei es wohl schwieriger als hier – aber auch hier sei es “complicated”.  Das Schwierigste für sie sei, dass man absolut nicht planen könne – privat nicht und geschäftlich schon gar nicht. Niemand wisse, ob die Regierung wirklich weiss, was sie tut – und was die Konsequenzen ihres Tuns sind. Im Alltag habe man sich daher angewöhnt, das Ganze auszublenden und einfach von einem Tag auf den andern zu funktionieren.

Aber die Zukunft ganz ausblenden kann auch sie nicht: Das Hotel habe Buchungen bis in den Oktober hinein. Nicht so viele, wie früher, aber so lange es so weiter geht, hat sie Arbeit – und damit Einkommen. Im Winter gibt es für sie offenbar nichts zu tun – und ob sie jetzt genügend sparen kann, um über die Runden zu kommen, weiss sie natürlich nicht. Ich habe mich nicht getraut zu fragen, wie viel sie verdient – aber viel kann es nicht sein, wenn ich die Preise hier sehe. Für 12 Euro kriegst du ein 3-Gang-Menü, teilweise sogar mit einem Getränk. Ein Ganztages-Ausflug mit dem Schiff kostet mich 25 Euro. Ich vermute mal, dass das Trinkgeld einen wesentlichen Teil ihres Lohnes ausmacht. Aber wenn ich sehe, dass der grösste Teil der Hotelgäste englische Jugendliche sind, die nach Zakynthos gekommen sind, um Party zu machen, sieht’s eher schlecht aus. Für sie, wie für mich, ist das Arrangement sehr billig, Essen und Getränke kaufen sie im Supermarkt, im Hotel beziehen sie keine Leistungen – und hinterlassen wohl auch kaum Trinkgeld, wenn sie wieder abreisen.

In meinem Touristinnen-Alltag merke ich nur wenig von den Schwierigkeiten: Klar, die Installationen in den Hotels sind nicht die Neuesten; es hat nur Seife, kein Shampoo oder Bodymilk und so. Dort, wo früher eine Cocktailbar und gemäss Schaubuch jeden Tag Live-Unterhaltung wird jetzt das Frühstück für jene Gäste serviert, die sich lieber nicht selber verpflegen – für Unterhaltung gehen die Leute nach Laganas. Die Werbetafeln an den Eingängen zu den Restaurants, Bars und Clubs locken mit allerlei Specials und Zugaben – von Gratis-Drinks über Lachgas und Gratis-Ballons bis zu Flatrate. Die Leute, welche die KundInnen zum Reinkommen bewegen sollten, sind aber nach wie vor sehr freundlich und nicht aufdringlich. Kein Vergleich zum Beispiel mit Tunesien, vor 2 Jahren – obschon die Situation da durchaus vergleichbar war, der Tourismus die letzte Einnahmequelle für viele. Dort fühlte ich mich belästigt – hier überwiegt die Gastfreundschaft, die ich bei früheren Besuchen schätzen und lieben lernte.

An den meisten Orten wird Barzahlung bevorzugt – aber Plastikgeld war auch bei früheren Griechenlandbesuchen nicht so weit verbreitet wie bei uns. Geldautomaten gibt es mehrere, Wechselstuben habe ich bis jetzt erst eine gesehen – der Kurs für CHF steht bei 0.88. Zwei Engländer, die ich getroffen hatte, haben erzählt, dass sie drei Anläufe gebraucht hätten, um Sterling in Euro umzuwandeln – die sind offenbar weniger beliebt. Ich habe bis jetzt immer bar bezahlt – ausser im Hotel, da lasse ich aufs Zimmer schreiben, was offenbar aber auch selten passiert. Bin gespannt, ob ich am Schluss per Karte zahlen kann – oder ob ich in bar bezahlen muss.

Ich habe, das gebe ich gerne zu, keine Ahnung, ob und wie Griechenland die Kurve kriegt. Die Menschen, die ich hier treffe, haben längst aufgehört, verstehen zu wollen, wie das Land in diese Situation kommen konnte. THEM – das ist die Regierung, die Beamten, die Europäer, die haben ihnen das eingebrockt, und was genau DAS ist, weiss hier niemand.

Sicher ist nur: THEM sind nicht nur geografisch weit weg, sondern scheinen mit dem Alltag der Menschen hier nichts zu tun zu haben. Jedenfalls heute noch nicht … Also wurstelt man sich weiter durch. Und wünscht lächelnd einen schönen Tag.

Und ich?

Ich fühle mich hier, einmal mehr, sehr willkommen und herzlich aufgenommen – und habe dennoch, ab und zu einen Kloss im Hals. Und hoffe, dass THEM wissen, was sie tun ….

Nachtrag vom 29.6.2015

Die Ereignisse überschlagen sich, es fällt schwer, den Überblick zu behalten. Habe von einem Kollegen einen Link erhalten, eine ARTE-Dokumentation vom Februar, der viele Zusammenhänge aufzeigt. Schockierend, undemokratisch, unmoralisch – das sind nur 3 Worte, die mir dazu einfallen.

Sparen um jeden Preis; die Banken retten, auch wenn dabei Menschen drauf gehen (und das ist wörtlich gemeint: Es gibt viel mehr Selbstmorde, Menschen werden medizinisch nicht mehr versorgt etc.) Zahlungen, die gemäss Medien an die Griechen gingen, die aber eigentlich an deutsche und französische Banken gingen etc. Viele der Massnahmen haben keine rechtliche Grundlage, sind demokratisch nicht abgestützt und werden von keinem Parlament überwacht. Aber seht selbst:

ARTE Dokumentation zur Trojka

Ein Gedanke zu „Griechenland und die Krise“

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