Marina Lodge, Tag 2

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Zufrieden

Ich habe wunderbar geschlafen, bin nur einmal aufgewacht und hatte keine Kopfschmerzen mehr. Noch vor dem Frühstück ging ich mit meinem Schlingen-Trainer auf den Spielplatz und machte meine Übungen für Arme, Rumpf und Bauch. Für die Beine ging nur die Kniebeuge – unter dem Gerät ist blanker Boden der zudem durch die morgendliche Bewässerung sehr feucht war. Mache dann im Zimmer noch ein paar Übungen, die meinem Knie gut tun. Das Universum findet übrigens, ich solle nicht nur theoretisch wissen, dass ich Treppen wieder ohne Geländer bewältigen könnte, sondern dies auch praktisch üben: In der Anlage des Marina Lodge gibt es fast keine Geländer. Am ersten Tag nach ich zur Sicherheit meinen Klappstock überall mit, aber heute liess ich ihn auf dem Zimmer. Ich bin zwar vorsichtig, gerade, wenn ich nur die Badelatschen anhabe, aber es geht gut, sogar, wenn ich müde bin.

Beim Frühstück bin ich eine der Ersten … die Leute scheinen hier wirklich nicht früh aufzustehen. Ich gönnte mir ein Omelette mit Gemüse, 2 Vollkorntoast und etwas Joghurt mir frischen Grapefruits. Ein kleines Brötchen füllte ich mit Käse und sackte es, zusammen mit einem hartgekochten Ei, als Snack für später ein. Einen kurzen Moment hatte ich ein schlechtes Gewissen, sah ich mich doch zu einer jener schrecklichen Touristinnen mutieren, die für eine Person Buffet bezahlen, dann aber den Teller für drei füllen – aber ganz ehrlich, seit meiner Magen-OP kann ich einfach nicht mehr aufs Mal essen, brauche dafür später wieder etwas Eiweiss. Wenn ich sehe, was sich da andere Leute auftischen – und dann teilweise einfach stehen lassen –, finde ich mein Benehmen wieder tragbar.

Zurück auf dem Zimmer packe ich mein Rucksäckli, mit Laptop, einer kleinen Wasserflasche, Handy und Kamera, und mache mich auf für meinen Morgenspaziergang. Ich meide die Salzkrusten und gehe etwas erhöht aussen rum. Die Landschaft ist naturgemäss sehr reizarm: Sand und Steine in Braun, das Meer quietschblau, die Mole weiss … Je nach Blickwinkel sieht man im Hintergrund ein paar Yachten oder bunte Häuser. Ich frage mich unwillkürlich, wieso das hier ausgerechnet Rotes Meer heisst – rot ist hier nämlich gar nichts. Onkel Google wird später folgendes dazu sagen:

«Der Name Rotes Meer geht auf das uralte System zurück, Himmelsrichtungen durch Farben zu bezeichnen. Der Name tauchte zum ersten Mal zu der Zeit der Achaimeniden auf. Für dieses iranische Volk liegt das Rote Meer in südlicher Richtung, welche durch die Farbe Rot symbolisiert wurde. Für die Achaimeniden bedeutet Rotes Meer somit “Südsee”. Entsprechend ist das Schwarze Meer die “Nordsee”.

Ein anderer Ansatz zur Klärung des Ursprungs des Namens ist die Blaualge Trichodesmium erythraeum. Es ist eine rötliche Chlorophyll Variante, die sich periodisch ausbreitet. Auch der rötliche Schimmer bei einem Sonnenaufgang wird häufig als Grund genannt.

Weiter wäre es möglich, dass die Bezeichnung auf eine falsche Interpretation des Altgriechischen zurückgeht. Diese nannten das Gebiet, vermutlich aufgrund der roten Färbung der Erde “Erythraia” (von erythros “rot”). Von den Römern wurde die Bezeichnung “rot” übernommen.

Möglicher weiterer Erklärungsansatz ist das Volk der Himjaren, welche im Zeitalter der Antike in dem südwest-arabischen Raum herrschten. Das Meer wurde zu dieser Zeit “Meer der Himjaren” genannt, was übersetzt “Meer der Roten” bedeutet. So könnte aus dem Meer das Rote Meer geworden sein. Während der Zeit der großen Seefahrer ist es üblich gewesen, auf Seekarten das Rote Meer rot einzufärben.» Quelle

Was mir auffällt:
Seit der Knie-OP bzw. In der Zeit, nachdem ich auch die Krücken abgeben konnte, gehe ich wieder aufrechter, lasse den Blick weiter schweifen, weil ich nicht mehr jedem Stein oder jeder Unebenheit ausweichen muss. Hier, wo es kaum was zu sehen gibt, saugt sich das Auge an Kleinigkeiten fest: Steinen, die wie Tiere oder Gesichter aussehen, einem Hauch Grün, wo sonst nichts wächst – ja, ich erkenne im Gewusel der Fussspuren im Sand sogar meine eigenen von gestern wieder: Geox lässt grüssen! Ich freue mich darüber, dass beide Füsse recht gerade laufen und dass der Druck links und rechts ziemlich gleichmässig und über die ganze Sohle verläuft. Mein Schatten zeigt mir aber, dass mein Bruder letzten Sonntag recht hatte, als er sagte, ich müsse mich etwas mehr auf die so genannt gesunde, linke Seite konzentrieren: Ich rolle nicht richtig ab und muss mich konzentrieren, vor allem auf dem Rückweg, wenn ich etwas müder werde. Krieg ich hoffentlich auch noch hin!

Der Wind ist samtig weich und angenehm – zu schwach, als dass er den Sand aufwirbeln würde, aber stark genug, dass er alles Schwere wegzutragen scheint und die Haut sanft streichelt. Gefällt mir!

Der Kellner im Bicafé erkennt mich sofort wieder. Ich kriege meinen feinen, grossen Kaffee mit viel Milch, dazu eine grosse Flasche Wasser. In aller Ruhe kann ich den vorbereiteten Blogbeitrag hochladen, samt der Diashow, und dann etwas mit meinen FreundInnen zu Hause chatten, Facebook und Twitter lesen und mir die Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Herrlich! Irgendwann kommt der Kellner und fragt ganz schüchtern, ob ich ihm eventuell 10 Euro wechseln könne? Er kann einem Gast nicht rausgeben, und die meisten Läden haben zu, so kann er nicht auf die Schnelle wechseln gehen. Ich kann, und er geht zufrieden zum anderen Gast – da fällt mir auf, dass sein Problem wohl so nicht gelöst ist, denn jetzt habe ich seinen 10er, dafür kein Kleingeld mehr … Er selber realisiert das Problem erst einiges später, als ich bezahlen will. Verlegen zuckt er mit den Schultern, aber ich habe die Lösung schon parat: Ich bezahle 12 Euro und sage, «damit ist heute und morgen abgegolten.» Er schaut mich ganz erstaunt an, aber ich erkläre entspannt: «Du hast mich heute schon wieder erkannt, als ich kam, also wirst du das auch morgen tun – und wissen, dass ich bereits bezahlt habe.» Er strahlte mich an und verabschiedete mich mit den Worten: «Salaam, Habibi» – und dank meiner angeheirateten Cousine Lodie weiss ich sogar, was das heisst 🙂

Zurück im Hotel habe ich kurz nach 14 Uhr mein Schrittsoll bereits wieder übertroffen, und da es sehr warm geworden ist, beschliesse ich am Pool zu bleiben und nicht noch zum Strand zu gehen. Nur IN den Pool schaffe ich nicht: Der ist schweinekalt, wie das Quieken derjenigen anzeigt, die es wagen, reinzuspringen. Dafür ist es an der Sonne so heiss, dass ich zwischendurch Platz wechseln muss, um wieder in den Schatten zu kommen, sonst mutiere ich noch zur Tomate … Zudem buche ich mir ein 4-für-3-Massagepaket: Jetzt gleich geht es dann los mit Cleopatra – einem Vollprogramm mit Sauna, Peeling, Maske und Massage. Später wird es Fussreflexzone, Aroma-Massage, Hand- und Fusspeeling und ähnliche Aufbauprogramme geben. Und für Montagabend habe ich einen Termin im Beauty-Parlour, bei einer Frau, die aussieht wie die kleine Schwester von Lodie! Mal sehen, ob ich ein Foto von uns beiden machen kann.

Ich geniesse die Sonne auf meiner Haut, lese etwas, schaue den Mutigen zu, die sich ins Wasser trauen – und den Opfern, die reingeworfen werden. Wehe, das versucht jemand mit mir! Eine kurze Zeit dröhnt die Animationsmusik unangenehm laut, aber ich bin zu faul, die Ohrstöpsel holen zu gehen, und nach einiger Zeit stellt jemand die Musik leiser.

Ich bin von ganzem Herzen zufrieden, mit dem Gefühl, genau am richtigen Ort zu sein.

Pünktlich treffe ich im Wellness-Bereich des Hotels ein und werde gleich in die Sauna verfrachtet. Der Typ, der mir das Tuch bringt und mich einweist nickt zwar eifrig und sagt «Ja, Ja», als ich ihm erkläre, dass ich für mein Knie einen feuchten Lappen benötige – gemäss Arzt muss ich die Knieprothese noch für einige Zeit kühlen oder sonst die Sauna meiden – aber verschwindet dann auf Nimmerwiedersehen. Also improvisiere ich, indem ich den Zipfel meines Tuches ins Aufgusswasser tauche. Geht auch – und riecht nicht mal schlecht. Nach knapp einer Viertelstunde werde ich abgeholt und angewiesen, mich bäuchlings auf eine Liege zu platzieren. Der junge Mann rubbelt mir Hände und Füsse mit Salz und Öl ein, was extrem kitzelt. Immerhin: Meine Warnung, dass ich ausschlage, scheint angekommen zu sein, er bringt seine Zähne ausser Reichweite … Danach werde ich von Kopf bis Fuss mit einer Mischung aus Kokosraspeln und warmer Milch eingerieben. Ich sehe aus, wie ein weissgewaschenes Cookie-Monster! Noch etwas Schlamm aufs Gesicht, dann werde ich eingepackt wie eine Mumie und meinem Schicksal überlassen.Ich rieche wie ein Riesenbounty, und natürlich beginnt die Nase zu jucken, sobald meine Hände unbeweglich sind, und während der Schlamm im Gesicht trocknet, schrumpft mein Gesicht um mindestens drei Grössen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit werde ich ausgepackt, man hilft mir vom Schragen und schickt mich Duschen. Im Gegensatz zur Dusche in meinem Zimmer, die mich mit ihrem kräftigen Strahl überrascht hat, plätschert diese hier etwas lustlos vor sich hin, so dass es eine Weile dauert, bis ich die ganzen Kokosraspeln wegkriege. Oder zumindest fast: Beim Massieren holt der Masseur später die letzten aus meinem Bauchnabel … Für die Massage muss ich auf eine andere Liege, die sehr hoch ist, aber aus Holz, also nicht höhenverstellbar. Ich krabble rauf wie ein Käfer! Sorgfältig werde ich mit warmen Tüchern abgedeckt, im Hintergrund spielt leise Musik, der junge Mann flüstert «Sweet Dreams» und legt los. Seine Bewegungen sind leicht und flüssig, ohne Unterbruch, ich kann nicht unterscheiden, wann die eine Hand aufhört und die andere übernimmt. Zielsicher findet er meine Spannungspunkte und bearbeitet diese – nicht mit sehr viel Druck, aber doch so, dass ich spüre, wie die Verspannungen sich lösen. Mit «Time to wake up» bittet er mich schliesslich, mich auf den Rücken zu drehen, um die Vorderseite zu bearbeiten. Da ich immer noch Mühe habe, mein rechtes Knie so lange durchgestreckt zu halten, frage ich ihm, ob ich das Bein etwas aufstellen kann. Er stutzt kurz, schaut sich die Narbe an – und verpasst mir dann die Lymphdrainage, die meine Physio mir jeweils angedeihen liess. Anschliessend arbeitete er konzentriert weiter. Im Kabäuschen nebenan war eine weitere Kundin eingetroffen, erst hörten wir sie leise schwatzen, dann gab es ein paar schwere Atemzüge – und dann begann das Sägewerk. Wir beide grinsten uns an, und er flüsterte mir zu «Relax Massage». Offenbar hatte sie nur die Kurzversion gebucht, denn sie wurde fast mit mir fertig. Gerade als ich fertig angezogen war und den nächsten Termin vereinbart hatte, kam sie aus ihrem Kabäuschen: Heike. Sie grinste uns schräg an und meinte: «Bin glatt eingeschlafen!» «Ich weiss!», antwortete ich, und mein Masseur und ihrer grinsten sich zu. «Hab ich geschnarcht?», fragt sie ganz entsetzt. Wir alle nicken. Ihr ist es peinlich, sie entschuldigt sich, «dieser verfluchte Alkohol!» … Ja, Liebe, das riecht man. «Wie schlimm?», fragt sie etwas kleinlaut. Ich antworte: «Ungefähr zwei Klafter!» Erst schaut sie mich entgeistert an, dann muss sie lachen. Und verschwindet dann, mit einem hingeworfenen «Wir sehn uns!» Bin versucht zu sagen: «Nicht, wenn ich dich vorher sehe!», schlucke es aber runter. Irgendwie tut sie mir ja leid, aber ich möchte sie nicht wirklich an der Backe haben …

Ich gehe direkt zum Abendessen. Heute ist deutsche Küche angesagt: Sauerbraten, Leber, Knödel, Rotkraut, Spätzle … Ich nehme Fleisch und Gemüse und lasse die Beilagen weg, gönne mir dafür zum Dessert zwei Mini-Tartes: ein Nidlechueche und einer mit Dattelmus. Die Leber schmeckt sensationell, recht scharf – der Koch freut sich sichtlich über mein Kompliment. Zum Abschluss nehme ich mir ein Mandarinli (das ich für morgen aufhebe) und eine Kaktusfeige, die ich gleich esse. Fein!

Auch heute lasse ich die Abendunterhaltung sausen, mir ist nicht wirklich nach Gesellschaft. Ich mache mir einen Gutenachttee auf meinem Zimmer, schreibe und lese etwas. Die Ferien tun mir gut!