Gegen 14 Uhr legten wir in Mainz an. Ich hatte eine Führung gebucht, und Uta, die lokale Reiseleiterin, war, nach eigenen Worten, ein echtes Mainzer-Mädel. Mit Rücksicht auf uns verzichtete sie allerdings darauf, Rheinhessisch zu sprechen – das klingt zwar wunderschön, ist aber für unsere Schweizer Ohren eher schwer verständlich 🙂
Auch hier wirkt sich die bereits bekannte Rivalität zwischen den Ufern aus. Wiesbaden, auf der anderen Seite, ist hier der Rivale, und es gibt durchaus historische Gründe für Neid – z. Bsp. das Mainz fast völlig zerbombt wurde, Wiesbaden aber nicht. Radfahrer, die lächeln, sind Mainzer – die anderen kommen aus Wiesbaden, versichert uns Uta unter anderem. Was mir auffällt: Egal, woher sie kommen, Radfahrer:innen geniessen hier Vorfahrt, haben viele Radwege, nehmen meist aber auch Rücksicht.
Auf dem Weg ins Zentrum sehen wir einige Gruppen picknickend im Park, vor allem aber überquellende Abfalleimer, gesäumt von Dutzenden von Weinflaschen. Das Mainzer Marktfrühstück dient der Belebung des Wochenmarktes, wird in Zusammenarbeit mit den lokalen Winzern durchgeführt und ist insbesondere bei den zahlreichen Student:innen sehr beliebt.
Architektonisch ist die Stadt ein Gemischtwarenladen: Neben wunderschönen Gebäuden stehen solche, bei denen ich mich frage, welcher Städteplaner die erlaubt hat. Immerhin: Um den Platz um dem Dom möglichst authentisch zu erhalten, wurde an ein brutal modernes Gebäude (mit dem Übernahmen Streichholzschachtel) eine historische Fassade “angeklebt”.
Sehenswerte Skulpturen und Brunnen gibt es aber reichlich, und einige davon erklärt uns Uta auf humorige Weise. Humor beweisen hier auch die Leute, welche für die Verkehrsampeln zuständig sind: In der Altstadt zieren die berühmten Mainzelmännchen die Ampeln.
Der romanische Dom, mit seinen 6 Türmen, der “verkehrten” Ausrichtung (mit dem Hauptaltar im Westen statt im Osten), nach dem Vorbild des Peterdoms im Vatikan, wirkt auf mich (wie die meisten romanischen Bauten) eher düster, die weihrauchgeschwängerte Luft trägt auch nicht gerade zum Wohlbefinden sein. Bemerkenswert finde ich allerdings die Steinmetzarbeiten, und der dreiseitige, doppelstöckige Kreuzgang ist sehr sehenswert.
Mein persönliches Highlight war aber die Stephanskirche. Roy, der Reiseleiter, hatte erwähnt, dass die wunderschöne Chagall-Fenster habe. Da die Kirche etwas ausserhalb des Zentrums liegt, war sie nicht Teil der offiziellen Führung. Aber vom Fasnachtsbrunnen aus (der mit seinen über 200 herrlichen Figuren eine eigene Führung rechtfertigen würde), sah man die Turmspitze gar nicht weit entfernt. Da Uta von da aus zum Schiff zurückgehen würde und allenfalls Interessierte beim Gutenberg-Museum “abgeben” würde, entschied ich mich, die Gruppe zu verlassen, um mir die Fenster anzusehen. Und ich war begeistert:
Das wunderbare Licht im Innern der Kirche, mit seiner blau-violetten Färbung, liess sich als Ganzes nicht einfangen. Aber die Details sind wunderschön geworden. Ich nahm mir Zeit, die Stimmung auf mich einwirken zu lassen, bevor ich wieder Richtung Schiff spazierte.
Die Orientierung wird einem in Mainz übrigens einfach gemacht. Es gibt rote und blaue Strassenschilder. «Wer blau ist, wählt blau», lernen die Kinder in der Schule – diese Wege führen parallel zum Rhein, so dass Besoffene nicht ins Wasser fallen.
Auf dem Rückweg treffe ich die übrigen Weiber, in einem Strassencafé, und ich geselle mich auf einen Radler zu ihnen. Dann trennen sich unsere Wege wieder, ich spaziere noch etwas durch Seitenstrassen und entdecke die Nagelsäule, die mich beeindruckt. Daneben weitere eingezäunte Blumenrabatten. Uta hatte uns erklärt, dass die Stadtwerke hier jeweils, bevor sie neu anpflanzen, die Stellen einzäunen und dann einen Aufruf publizieren: Am nächsten Samstag dürfen die Leute dann kommen und Blumen ausgraben, die sie nach Hause nehmen möchten. Tolle Idee!
Zurück auf dem Schiff entspanne ich mich kurz in der Kabine, bevor es zum Nachtessen ins Spezialitätenrestaurant geht. Mein Essen ist sehr fein, die beiden Vegetarierinnen haben allerdings etwas Pech: Vorspeise mit Auberginen, Hauptgang mit Auberginen … Yvonne erkämpft für sie wenigstens noch etwas Nudeln mit Käse, und das Dessert versöhnt dann wieder alle.
Wie immer gehe ich danach direkt ins Bett, ohne den Schlummertrunk zu geniessen, mit dem wir überrascht wurden. Das Schiff fährt kurz nach 22 Uhr los, ich höre das Rauschen des Wassers, wir sind offenbar recht zügig unterwegs.
Mainz kenne ich eigentlich nur von der Fasnacht am TV, sollte aber eigentlich meinerseits in der Zukunft besucht werden, da es genügend Sehenswürdiges gibt.
Daddy