#Nordlandreise, Tag 6: Faröer-Inseln

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Wettermässig sind wir offenbar stabil: Temperaturen um 10 Grad, einige Niederschläge, kann aber auch trocken werden, grössten Teils bewölkt … Auf Grund des Windes empfiehlt der Kapitän bei seinem Morgengruss aber, sich einzumummeln, am besten in Schichten. Entsprechend lustig sieht es beim Frühstück aus: Lauter verschlafene Michelin-Männchen! Kurz nach 7 laufen wir in Torshavn ein und ankern an einem Pier, das offenbar mehrheitlich für die Industrie genutzt wird. In der Ferne sieht man aber einige der traditionellen Häuser. Heute bin ich auf einem späteren Ausflug gebucht, so kann ich eine der Ausflugshostessen beobachten, die immer und immer wieder sie selben Informationen runterbetet: Setzt euch hin, verstopft die Gänge nicht, kommt auf 7 rein, ihr werdet auf 6 rausgehen, je nach Ausflug links oder rechts; haltet eure Zimmerkarte und die Ausflugskarten bereit, bleibt zusammen, wenn ihr im selben Bus landen wollt etc. etc. ad nauseam. Nicht, dass die Leute wirklich zugehört hätten – oder dann gibt es hier sehr viele, die kein Wort englisch verstehen und auch nicht lesen können, denn die gleichen Informationen wurden in Deutsch und Spanisch an die Leinwand geworfen. Ich schlug ihr vor, einen Papagei zu trainieren, was sie erst kurz beleidigte: You think I sound boring? Aber dann musste sie lachen und stimmte mir zu: They mich pay attention to a feathery friend!  Auch wenn ich das Ganze recht amüsant fand: Ich bin sicher, die Leute, die in den Bussen sassen und um 8.45 noch auf Leute warteten, die eigentlich 8.15 hätten einchecken sollen, fanden es weniger toll …

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Mein Ausflug bestand zum Glück aus weniger Leuten, und wir waren rasch komplett. Unser Guide erzählte uns in sehr gebrochenem, von vielem Stottern unterbrochenen Englisch, wie früh und schnell die Faröer fremde Sprachen lernen und wie gut sie darin seine – und meinte das ganz offenbar nicht ironisch. Vielleicht bin ich ja wirklich ein Snob und erwarte zu viel? Die Muttersprache, Faroese, ist eine eigenständige Sprache, die auf der alten nordischen Sprache beruht und überlebt hat (im Gegensatz zu Shetland). Dies is umso erstaunlicher, als die Dänen bis vor etwas über 100 Jahren als Amts- und Schulsprache Dänisch vorschrieben, mit der Begründung, Gott verstünde kein Faroese … was einem Allmächtigen ja schlecht ansteht, aber das schien die Behörden nicht zu stören. Den All,mächtigen offenbar schon, denn der lernte dazu, so dass an den Schulen nun Faroese erste Sprache ist, 2. Dänisch, 3. Englisch.

Topografisch sind die 18 Inseln ähnlich wie das, was wir gestern gesehen haben. 16 Inseln sind bewohnt und durch Unterwassertunnel oder per Fähre verbunden. Offenbar werden grosse Anstrengungen unternommen, um auch die abgelegeneren Gebiete zu erschliessen, so dass die Leute dort komfortabel leben können. Ein Tunnel, der über 40 Millionen Kronen (ca. 8 Millionen Dollar) kostete, erschliesst 15 Leute. Auf einer Insel lebt eine einzige Familie, die geniesst, wie die meisten Einheimischen, verbilligte Helikopterflüge, um Vorräte anzuschaffen oder andere Gebiete zu erreichen. Die Abwanderung in die Städte konnte aber dennoch nicht völlig verhindert werden: Auf unserem Ausflug sehen wir einen Weiler, der 1964 verlassen wurde. Um 1950 lebten dort noch 80 Menschen in 12 Häusern. Einige der Häuser werden von den ursprünglichen Familien noch als Sommerhäuser genutzt. Sie haben weder Strom noch Strasse oder Hafen, der Zugang erfolgt über eine Wanderin über einen Berg, der meistens in Nebel gehüllt ist. Damit die Leute sich nicht verirren, haben sie alle paar Hundert Meter Steinmarker aufgerichtet. Man fragt sich unweigerlich, warum irgend jemand die Mühe auf sich genommen hat, je da draussen zu siedeln …

Die ersten Menschen waren offenbar auch hier die Irischen Mönche, kurz danach die Wikinger, die Plündernd und Erobernd durch die Meer reisten, danach folgten aber christianisierte Nordländer, die ihres Glaubens wegen in Norwegen verfolgt worden waren. Sie brachten Schafe, Schweine und Kühe mit, lebten aber vorwiegend vom Fischfang und der Vogeljagd. Das war nicht ungefährlich, wie wir später auf unserem Ausflug sehen: Die Kliffs, auf denen die Vögel brüten, sind sehr steil. Da rumzukraxeln, um Eier aus den Nestern zu klauen oder Vögel zu schiessen, brauchte schon Mut – und einen starken Glauben: Vor jedem Jagdausflug wurde ausgiebig gebetet. Noch heute beten die Männer, bevor sie rausgehen, um die Schafe zusammenzutreiben, und ich kann das gut verstehen: Es ist unglaublich, wo die Viecher sich hier herumtreiben! Es komme sehr selten vor, dass eines abstürze, da sie das von Klein auf gewohnt seien: Die Mutterschafe werfen die Lämmer nämlich hier, an den Klippen, und ziehen sich dafür nur selten auf flachere Gebiete zurück. Für die Leute, welche die Schafe bewirtschaften, gilt das aber natürlich nicht – dennoch müssen sie vier Mal pro Jahr raus, um die Viecher zusammen zu treiben, zu pflegen, zu scheren etc. Wir haben heute vom Ausflugsboot aus welche gesehen – ganz weit oben, etwas ein Dutzend Menschen, aber auf den Fotos wird man die nicht erkennen, da hätte ich ein stärkeres Zoom gebraucht. Die Wolle enthält, auf Grund der extremen Wetterbedingungen, in denen die Viecher leben, sehr viel Lanolin, was die Strickwaren sehr langlebig und geschmeidig macht. Und wenn man die verarbeitete Wolle genug dicht schrumpft, sind die Pullover sogar wasserdicht. Das Verhältnis Schafe zu Mensch ist übrigens knapp 2 zu 1, bei rund 43’000 Einwohnern (20’000 weitere Faröer leben in Dänemark  oder im Ausland).

Die Häuser wurden hier ursprünglich aus Stein gebaut, eher tief, mit Erddächern, die mit Rasen bedeckt waren: Damit waren sie gut isoliert und widerstanden den starken Winden, die hier herrschen können. Später wurden die Steine durch schwarzes Holz ersetzt – heute sieht man aber auch viele bunte Holzhäuser mit oder ohne Grasdach, Häuser aus Beton und einige moderne, mit Metallfassade. Gleich hinter dem Hafen stehen einige rote, Gras bewachsene Häuser: Hier tagt das älteste bekannte Parlament, auch heute noch. Die Insel geniesst weitgehende Autonomie von Dänemark und ist sehr stolz darauf. Über 80% des Exports wird durch Lachszucht erwirtschaftet: Weil das Wasser hier eher kalt ist, wachsen die Fische sehr langsam, was offenbar zu festerem Fleisch führt, ideal für Sushi. Und es ist so rein, dass hier, im Gegensatz zu den meisten Zuchtländern, Antibiotika nicht standardmässig verfüttert werden muss. 150’000 Junglachse werden pro Ring aufgezogen, nach ca. einem Jahr werden sie in grössere Gehege gebracht, bis sie ihr Schlachtgewicht erreichen. Es gibt hier auch Wildlachs: Man kann eine Tageslizemz erwerben und versuchen, selber einen zu fangen. Hier gibt es auch eine Forschungsanstalt und eine Lachstreppe mit eingebautem Zähler.

Die meisten Lebensmittel müssen eingeführt werden: Die hier angebauten Agrarprodukte decken nur einen kleinen Teil des Bedarfs. Entsprechend hoch sind die Preise: Für das selbe Geld, mit dem man in Dänemark seinen Korb füllen könnte, kriegt man hier knapp die Hälfte. Wieder frage ich mich, wieso jemand hier leben will … Gemäss unserem Guide ist es das Gemeinschaftsgefühl: Offenbar halten die Kirchgemeinden die Menschen zusammen und sind, ähnlich wie in Schottland, viel mehr als Glaubensgemeinschaften: Hier trifft man sich, unterstützt einander gegenseitig, organisiert Aktivitäten und vieles mehr.

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In der Zwischenzeit haben wir unser Ziel erreicht: Eine geschützte Bucht, wo sich eines von 2 Wasserkraftwerken befindet, welche ca. 40% der Energieversorgung sicher stellen, umgeben von einem kleinen Dorf. Hier steigen wir auf ein Boot um, das uns raus zu den Kliffs fahren wird. Da es gerade trocken ist, setze ich mich aufs Oberdeck: So kann ich besser fotografieren als durch die Fensterscheiben. Ob es trocken bleibt, steht natürlich in den Sternen: Die Soldaten, die während des 2. Weltkriegs hier stationiert waren, gaben den Inseln der Übernamen: The Land of Maybe. Wann immer sie fragten, können wir morgen dies oder jenes unternehmen, sagten die Einheimischen – maybe. Depends on the weather

Wir aber haben Glück: Zwar wird es, durch den Fahrtwind, sehr kühl, aber es bleibt trocken. Die Landschaft ist spektakulär! Noch sieht man, wo die Vögel gebrütet haben, aber Papageientaucher und viele weitere Meervögel sind bereits wieder ausgezogen. Über 260 Vogelarten soll es hier geben … Wir sehen vorwiegend Möwen und kanadische Gänse, die hier zu einer Plage geworden sind, nachdem sie vor einigen Jahren fast ausgestorben und unter Schutz gestellt worden waren. Am liebsten fressen die offenbar das Grün der Kartoffelstauden – so vernichten sie in kürzester Zeit ganze Felder. Im Durchschnitt liegen die Faroer-Inseln auf 300 m ü. M, der höchste Berg erreicht 882 m. Entsprechend eindrücklich wirken die Kliffs, wenn man sie von unten, aus einer Nussschale heraus, betrachtet. Ähnlich wie bei den 12 Aposteln in Australien sind auch hier etliche Kliffs freigestellt und bilden Skulpturen – eine erinnert an einen Elefanten, andere haben wie Gesichter. Der Bootsführer scheint seinen Job zu beherrschen: Er fährt durch engste Durchgänge, um freistehende Kliffs herum, in Höhlen – und erzählt dazu in erfreulich gutem Englisch, wie tückisch hier die Strömung werden kann, das die Gezeiten in eine Richtung und der Wind in eine andere ziehen können. Gottvertrauen – oder viel Erfahrung? Jedenfalls konnte ich so sehr eindrückliche Bilder schiessen.

Ziemlich durchfroren kamen wir zurück in die Bucht, wo ich einige Postkarten kaufte. Der Bus fuhr einen kleinen Umweg über den Berg, damit wir ein Foto von einem Aussichtspunkt aus schiessen konnten, aber bis wir da waren, hatte der Nebel alles zugedeckt, und es sah aus, als ob es gleich regnen würde. Deshalb stieg ich auch nicht im Ortzszentrum aus, sondern fuhr zurück zum Schiff, wo wir mit einer heissen Schokolade empfangen wurde. Most welcome!

Danach gab es als verspätetes Mittagessen eine Art Shepherd’s Pie (das klassische Hirtengericht schien mir passend). Zu  meiner Überraschung bestand die oberste Schicht nicht aus Kartoffelstock, sondern aus einer Art süssen Giessbrei, welcher einen interessanten Kontrast zum würzigen Hackfleisch bildete. Obschon ich heute noch sehr wenig zu Fuss unterwegs war, hatte mich der Ausflug ermüdet – vielleicht auch, weil mir wirklich kalt war. Jedenfalls entschied ich mich wieder für ein Mittagsschläfchen, bevor ich mich an den Blog machte. Tat gut!

Nun lasse ich mich wieder von Antoine verwöhnen und versuche den Möchtegern-Casanova zu ignorieren, der rechts von mir die arme Barfrau vollabbert … Sie ist um ihren Beruf wirklich nicht zu beneiden!

 

 

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