#Nordlandreise, Tage 9 und 10: auf See

Spread the love

Tag 9

2.5 Seetage bzw. 920 Seemeilen trennen Reykjavik von Oslo – und damit bleibt uns viel Zeit, um auszuspannen oder an den unterschiedlichsten Bordaktivitäten teilzunehmen. Ich entscheide mich für die faule Variante, da ich mich zwar besser fühle, aber doch immer noch verschnupft. Nach dem Frühstück ziehe ich mich ins Pub zurück: Bis Mittag wird hier nichts ausgeschenkt, und es ist normalerweise sehr ruhig hier. Heute aber wird die Stille plötzlich von wunderschöner Klaviermusik durchbrochen. Von meiner Nische aus kann ich nicht sehen, wer spielt, also nehme ich meine Kamera und gehe zur Bar. Am Klavier, gleich daneben, sitzt eine ältere Dame und spielt völlig selbstvergessen vor sich hin – Grieg, Beethoven, Sott Joplin und andere, die ich nicht kenne, bunt durcheinander, ohne Noten. Ein paar andere Gäste setzen sich hin und hören zu, und als wir zwischendurch klatschen, dreht sie sich ganz erstaunt, aber auch erfreut um. Auf meine Nachfrage erzählt sie uns, dass sie pensioniert sei (was sie gearbeitet hat, will sie nicht verraten), dass sie das Klavierspielen von ihrem Vater gelernt habe, der ein hervorragender Spieler gewesen sei (sie selber sieht sich nicht als hervorragend, auch wenn das für mich sehr gut klang). Sie kann praktisch keine Noten lesen und spielt deshalb nach Gehör, wobei sie auf eher expressionistische Stücke steht. Eine Weile lang spielt sie Wunschkonzert: Moonshine Serenade? Kommt sofort! Wienerwalzer? Of course! Something Scottish for you, Lassie? Es macht riesig Spass, ihr zuzuhören und zuzusehen, und wir sind alle enttäuscht, als sie aufhören muss, weil im Pub ein Wii-Tournier stattfinden soll. Also spielt sie ein letztes Stück – Arthurs Theme, ein Lied, das wir zur Zeit im Chor einstudieren. Sie war ganz erstaunt, als ich das nach den ersten 3 Takten erkannte  🙂

Diashow in kleiner Auflösung, ideal für mobile Nutzung. Teil 2 weiter unten!

Grössere Auflösung (in einem Teil)

Am Nachmittag machte ich wieder ein Mittagsschläfchen, da ich für die berühmte White Hot Night fit sein wollte. Vorher aber gab es noch einmal Klaviermusik: Die Abendshow bestritt Claire Maidin, eine junge Pianistin und Sängerin, deren grosses Vorbild Liberace ist. Sie  trat vor kurzem in Las Vegas auf und war dort offenbar sehr erfolgreich. Ihre Show ist beschwingt und leicht. Sie spielt Macky Messer und schafft es spielend, ein gutes Dutzend Musikzitate einzubauen. Sehr spektakulär auch ihr Hummelflug oder der Tiger Rag – ihre Hände werden  auf Grossleinwand übertragen und fliegen über die Tasten, als hätten sie ein Eigenleben. Fotos waren hier leider nicht erlaubt, sie hat aber eine gute Webseite und ist auch auf Facebook aktiv.

Die White Hot Party ist eines der Markenzeichen von NCL – sie findet seit Jahren auf jeder Kreuzfahrt statt. Das gesamte Personal ist weiss gekleidet, viele der Gäste – v.a. auch die Repeater – ebenfalls. Die Spinnacker-Lounge ist weiss dekoriert, die Showband macht auf Karibik – aber das so laut, dass ich nach wenigen Stücken  fliehe. Irgendwie bin ich zu alt für so was … Nach einem Schlummertrunk ziehe ich mich au meine Kabine zurück.

Tag 10

Heute erwache ich eher spät, was aber auch daran liegt, dass sie mir in der Nacht wieder eine Stunde geklaut haben. Kurz nach 9 gehe ich frühstücken und kann mir Zeit lassen: Ich muss erst 10.50 im Red Lion sein, für meine Führung hinter die Kulissen. Nur 30 Gäste wurden für diese Tour zugelassen, diese sollten in 2 Gruppen losziehen, um mehr darüber zu erfahren, wie die Arbeit auf der NowegianStar aussieht. Als erstes landen wir im Küchenbereich: Hier arbeiten über 250 Angestellte, die meisten davon für die Gäste, eine eigene Abteilung kocht für die Crew. Ein Teil der Küche ist 24 Stunden in Betrieb, der grösste Teil ca. 18 Stunden.  Ein Mann – der sich selbst-ironisch Fish Man nennt – filetiert den ganzen Tag Fische. In einem Raum sind 6 Leute daran, Gemüse zu schälen und zu schnippeln: 9 Monate lang, ohne einen Freitag, mit etwas Glück mit ein paar Stunden Freigang in einem Hafen … Die Arbeit ist sicher kein Zuckerschlecken, trotzdem lachen und winken sie uns fröhlich zu. Das gilt übrigens für alle Bereiche, die man uns zeigt. Natürlich gehört das auch zum Stellenbeschrieb: Wir sehen überall Motivationsposter oder Anleitungen, die das Personal auffordern, freundlich zu sein, Mehrservice zu bieten etc. Es gibt die unterschiedlichsten Auszeichnungen, aber auch schwarze Bretter mit zu erreichenden Zielen – und einer Rubrik, wo diese verfehlt wurden, woran dies lag und was getan wurde, um dies ein nächstes Mal zu vermeiden. Die meisten Ziele wurden aber erreicht, und die Mitarbeitenden scheinen darauf sehr stolz zu sein. Auch im weiteren Verlauf der Führung habe ich den Eindruck: Die Mitarbeitenden sind stolz auf den Beitrag, den sie leisten, um meine Ferien zu einem besonderen Erlebnis zu machen – sie freuen sich aber auch, dass ich mich für ihre Arbeit interessiere.

Der stellvertretende Küchenchef reicht uns weiter an den Chef-Einkäufer: Dieser kauft einige Zeit vor Beginn der Kreuzfahrt die Vorräte ein, basierend auf der Route und der Anzahl Vorreservationen. Im Schnitt werden 15 40-Fuss-Kontainer Lebensmittel an Bord genommen – tiefgefroren, frisch, Rohzutaten oder Convenience. Im Notfall muss er in einem der angelaufenen Häfen Ware dazu kaufen, denn beim Freestyle-Konzept von NCL ist es noch schwieriger abzuschätzen als bei klassischen Kreuzfahrten, welche Menüs wie gut laufen. Dieses Mal hat er sich zum Beispiel bei den Milchprodukten recht verschätzt: Auf den letzten Kreuzfahrten waren sehr viele Deutsche, die tranken viel Milch und assen unendlich viel Joghurt. Auf dieser Fahrt sin kaum Deutsche, dafür viele Spanier – und die stehen nicht so auf Milchprodukten. Rechtzeitig bevor die Ware abläuft, wird er mit dem Küchenchef und dem Chef Patisserie zusammensitzen um zu sehen, wie sie überzählige  Milchprodukte einbauen können … Die Kühllager der Norwegian Star sind recht klein: Das Schiff wurde ursprünglich für 7-tägige Kreuzfahrten gebaut, ist nun aber meist 12 oder 14 Tage unterwegs. Deshalb steht an den erste 2 oder 3 Tagen der Kreuzfahrt einige Ware in den Gängen, die nicht zwingend gekühlt werden muss. Jetzt, gegen Ende der Tour, hat man recht viel Platz.

Auf dem Schiff hat es eine Metzgerei, eine Bäckerei und einen Pizzakurier mit 24-Stunden-Service. In der Bäckerei werden wir mir köstlichen Cookies empfangen, und als Zückerli kriege ich das Rezept für die köstlichen Pizzabrote, die im Market Café angeboten werden – eine Art löchrige Focaccio mit Käse und wechselnden Kräutern. Lecker!

Als nächstes übernimmt der Chef Nachhaltigkeit und Umweltschutz: Er zeigt uns, wie Abfälle getrennt, zerkleinert und rezykliert werden. NCL ist stolz darauf, dass sie nicht nur Mindeststandards einhalten, sondern weit darüber hinaus gehen. Ins Meer werden nur speziell aufbereitete organische Abfälle abgegeben, alles andere wird gesammelt, gepresst und teilweise verbrannt und in den angelaufenen Häfen an zertifizierte Unternehmen übergeben. In den letzten Jahren habe man einiges unternommen, um den CO2-Fussabdruck zu verkleinern: Alle Fernseher und ein Grossteil der Lichter wurden auf LED umgestellt, weitere Anstrengungen seien im Gange.

Weiter geht’s auf die Brücke. Der Kapitän ist gerade nicht da, aber sein 2. Offizier zeigt uns die Steuerung, die Radaranlage etc. Das grosse Steuerrad aus den alten Filmen ist einem kleinen Joystick gewichen – das Pult sieht aus wie ein grosses Videospiel. But if it says GAME OVER here, you cannot just insert another coin and restart … Damit das nicht passiert, sind bei NCL immer 2 Offiziere plus ein Look-out auf der Brücke (vorgeschrieben wäre ein Offizier). Die Steuerung kann vollständig von Hand oder abgestuft computergestützt erfolgen. Während wir da waren, wurde die Strömung und der Wind von Hand korrigiert, der Kurs als solches aber vom Computer gesteuert. Auf dem Radar konnten wir einige Schiffe erkennen, und da heute alle Schiffe mit einer speziellen Kennung unterwegs sind, konnte der Officer diese anklicken und gleich sehen, welches Schiff es war, wohin es unterwegs war, welche Ausmasse es hat etc. Damit sei das Navigieren viel sicherer geworden. Früher konnte man ein Schiff anhand des Echos zwar positionieren und bei mehreren Messungen die Richtung abschätzen, in der es unterwegs war. Um Kontakt aufzunehmen, funkte man das Äquivalent von : He, Sie da, auf den Koordinaten xy, wir möchten mit Ihnen reden! Das konnte zu Missverständnissen führen, wenn sich mehrere Schiffe auf engem Raum aufhielten oder wenn ein Schiff seine Position falsch einschätzte. Heute kann das nicht passieren, weil man das Schiff mit Namen aufrufen kann. Hallo Calypso! Aber wir müssten uns ohnehin keine Sorgen machen, versichert uns der Officer: NCL fahre sehr defensiv, da man sich bewusst sei, dass man über 4000 Menschen an Bord habe. Zudem operiere man hier immer noch mit Papierkarten und klassischer Navigation, zusätzlich zur Computernavigation, damit auch im Falle einer Computerpanne absolute Sicherheit garantiert sei. Da sind wir doch froh! Denn zum Schwimmen wäre es doch noch etwas weit: Wir sind immer noch rund 400 Meilen von Oslo entfernt. Auf den Meeresgrund sind es gemäss der nautischen Karten am jetzigen Standort aber nur 117 Meter …

Unser nächste Stopp ist in der Wäscherei: 6 Trommeln mit je 125 kg Fassungsvermögen bilden das Herzstück, dazu kommen mehrere kleinere Maschinen, 2 Maschinen für Chemischreinigung, einige Trockner und zahlreiche faszinierende Mangeln, welche die Wäsche gleichzeitig zusammenfalten: Tischtücher, Servietten, Frotteetücher verschwinden praktisch im Sekundentakt im Bauch der Dinger und kommen sauber gebündelt am anderen Ende raus. Neben der Wäsche für die Kabinen, Restaurants etc. wird hier auch die Crew-Wäsche und die Gästewäsche gehandhabt. Sehr beeindruckt sind wir von den Maschinen zum Bügeln von Uniformjacken, Hemden, Shirts etc.: Die werden einem Dummy angezogen, das sich aufbläst und von innen heraus Dampf ausstösst. Geht ratzfatz und ohne Falten.

Zum Schluss werfen wir noch einen Blick hinter die Kulissen der Showbühne. Auf sehr engem Raum  befinden sich hier die Garderoben, die Kostüme und Requisiten für alle Shows und Aufführungen. Die Showtruppe probt jeweils einen Monat in Amerika, bevor sie aufs Schiff kommt, dann sind sie 8 Monate an Bord. Die neue Truppe wird sich eine Woche mit ihnen überlappen – so können die Newbies eingefuchst und die Kostüme angepasst Weden. Zusätzliche Show Acts werden für einzelne Abende eingeflogen oder bleiben für eine oder zwei Kreuzfahrten an Bord.

Was wir nicht zu sehen kriegen sind die Aufenthaltsräume der Crew: Diese liegen zum grössten Teil auf den Decks 1 und 2 und sind offenbar sehr eng. Lorraine, ein Mitglied der Crew, hat gespottet: Ihr wohnt in Kabinen, wir zu viert in Kabinchen. Am Morgen versuchen wir alle, möglichst spät aufzustehen, deshalb haben wir einen Zeitspartrick erfunden: Wir kleiden die Wand des WCs mit unseren Badetüchern aus. Wenn wir aus der Dusche kommen, drehen wir uns einmal um die eigene Achse und sind trocken!

Vor meiner Abreise habe ich auf Youtube eine Sendung gefunden, in welcher der oberste Chef von NCL als Undercover Boss unterwegs war. Sehenswert für alle, die mehr über NCL-Schiffe wissen möchten!

Im Anschluss an die spannende Führung gab’s Mittagessen – für mich mexikanisch. Gut gewürzt, hat mir sehr gut geschmeckt. Danach amüsierte ich mich bei der Show, auf welcher Crew-Mitglieder ihre Talente zeigen konnten: Der Chef-Fotograf, ein Mazedonier, überzeugte mit einer wunderbarr vorgetragenen Figaro-Arie, eine Kellnerin aus den Philippinen sang Adeles Someone Like You – mit einer sehr überzeugenden Stimme, aber einer eher schüchternen Choreografie. Carlos aus Mexiko betätigte sich als Magier, Roberto aus Italien spielte mit dem gesamten Publikum – er als Dirigent, wir als Instrumente. Eine Office-Mitarbeiterin aus Indonesien bezauberte mit einem Tempeltanz – und zum Schluss brachte das Team der Cruise-Direktorin uns alle zum Lachen, mit einer herrlichen Nummer: THE FOUNTAIN. Als wandelnde Brunnenfiguren, kunstvoll in Leintücher gekleidet, bewegten sie sich zur Musik von Enya, wobei sie sich immer wieder aus ihren Vasen bedienten – und einander dann gegenseitig anspuckten. Göttlich das Finale: Sie leerten ihre Gefässe und näherten sich Schritt für Schritt der vordersten Zuschauerreihe, was die Menschen entsprechend nervös machte. Auf den letzten Ton standen sie an der Bühnenrampe – und der Vorhang fiel. Der kollektive Stossseufzer der ersten Reihe war bis in die Ränge hörbar! Wäre sicher eine gute Nummer für den nächsten runden Geburtstag oder so …

 

Als Abrundung des Tages zog ich mich erst wieder ins Spa zurück, danach zu Antoine in die Star Bar, um meine Fotos zu bearbeiten und den Blog nachzuführen. Sobald ich damit fertig bin, werde ich schauen, was es zum Nachtessen gibt. Mein Gewicht macht mir übrigens keine Sorgen: Die Hosen sind nach wie vor viel zu weit, und mit Kleidern wog ich heute nachmittag 183 amerikanische Pfund – rund 82 Kilo. Damit ziert sich die 7 zwar immer noch, aber damit kann ich leben 🙂

 

 

2 Gedanken zu „#Nordlandreise, Tage 9 und 10: auf See“

  1. Das mit der “Spucknummer” ist dies allenfalls eine Anspielung auf einen meiner kommenden Geburtstage? Es scheint, Du hast viel Fun und das mag ich Dir gönnen.

    Wünsche noch eine glückliche Heimkehr.

    Papi

Kommentare sind geschlossen.