Paphos Tag 6

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Heute hiess es früh aufstehen. Um 08.20 sollte ich abgeholt werden, für meinen Tagesausflug ins Troodos-Gebirge.

Beim Frühstück kurzer Schockmoment: Mein Handy hatte über Nacht nicht geladen (die Steckdosen hier haben ein sehr seltsames Eigenleben, nicht alle haben zu allen Zeiten Strom). Ich also Flugmodus rein, Frühstück abgekürzt und Steckdose gesucht. Start in den Tag mit kaum 50 % war allerdings eher ungünstig. Ich schaltete WLAN und Bluetooth ab, liess das Gerät im Flugmodus, damit ich die Kamera nutzen konnte. Und hoffte auf eine Mittagspause in der Nähe einer Steckdose. Adapter und Kabel nahm ich natürlich mit.

Der Jeep hatte leicht Verspätung – und stellte mich vor ein Problem, das ich nicht hatte kommen sehen. Zwar hatte ich die Reiseleiterin auf meine Knieprobleme aufmerksam gemacht, und den Stock hatte sie ja auch gesehen. Und sie meinte, wenn ich ein paar Schritte gehen könne, wäre der Ausflug kein Problem, beim Ein- und Aussteigen könne man mir helfen. Ja, das  taten die auch. Nur: In so einen Jeep passen hier 11 Passagiere plus 1 Fahrer. Was heisst, dass die Sitzreihen so eng sind, dass man mit 90° gebogenen Knie sitzen muss, die Kniescheiben in der Rückenlehne des vorderen Gastes. Und mein Knie kann keine 90 Grad …

Ideal wäre für mich natürlich der Platz vorne neben dem Fahrer gewesen, aber da sass bereits ein stark übergewichtiger Mann. In der zweiten Reihe machte ein Paar für mich Platz, sie gingen ganz nach hinten, wo das Einsteigen für mich noch schwieriger gewesen wäre. Und da wir nur zu sechst waren, konnte ich zwei Plätze belegen, indem ich den ganzen Tag seitlich abgedreht sass. War immer noch nicht ideal, aber es ging. Auch wenn die Schmerzen in beiden Knien im Laufe des Tages zunahmen und ich jeweils richtig froh war, wenn wir was besichtigen konnten.

Unser Fahrer, Polis, hat einige Jahre in Deutschland und in der Schweiz gearbeitet und sprach sehr gut Deutsch. V.a. aber sprach er viel. Er erzählte uns die gesamte Geschichte und Politik Zyperns, versuchte dabei sehr ausgewogen zu sein, vermochte aber seine Bitterkeit nicht immer zu verstecken: Die Bewohner der Insel – egal, ob griechischer oder türkischer Abstammung – hatten eigentlich nie eine Chance gehabt, ihr Schicksal selber zu bestimmen. Aufgrund der strategischen Lage der Insel (insbesondere Gewässer- und Luftschutzzonen) und der Bodenschätze (Kupfer, das der Insel den Namen gab, seit kurzem auch Erdgas), war die Insel für die Grossmächte immer zu wichtig, als dass sie den Einwohner:innen Selbständigkeit zugestanden hätten.

Wer mehr wissen will:

Unsere Fahrt führte als erstes entlang von ausgedehnten Orangenplantagen. Die Bäume waren voller reifer Früchte, viele lagen am Boden – geerntet werden sie nicht. Die Preise für Orangen sind dergestalt am Boden, dass die Kosten für Bewässerung und Erntehelfer den Ertrag bei weitem überschreiten. Gerade mal 150 Euro gibt es aktuell für eine Tonne geerntete Früchte. Für ein Kilo Zitronen ab Feld bezahlt man heute 10 Cents.

Früher seien viele Zitrusfrüchte nach Russland und in die Ukraine gegangen, dieser Markt ist natürlich weggebrochen. An einigen Stellen werden die Bäume jetzt abgesägt, die Felder werden in Kartoffelacker umgewandelt: Frühe Kartoffeln seien im EU-Markt begehrt.

Mehr zur Landwirtschaft Zyperns 

Wasser ist ein kritisches Thema: Trinkwasser stammt vorwiegend aus den beiden Stauseen (einen davon werden wir später besichtigen); die Landwirtschaft bezieht das Wasser aus vier Entsalzungsanlagen, wobei diejenige in der Nähe eben erst durch einen Kurzschluss teilweise abgebrannt sei. 5 weitere Anlagen seien geplant, darunter zwei mobile Anlagen. Im Moment ist hier alles sehr grün und üppig – aber da es im Sommer eben kaum regnen wird, sind die Leute darauf angewiesen, dass die Wasserspeicher im Winter gefüllt werden.

Wie dramatisch die Lage ist, sahen wir anschliessend beim Asprokemnos-Stausee:  DerPegel liegt noch tiefer, als ich gelesen hatte. Vorgestern war er bei knapp 25 %. Gestern hatte es, wie bereits beschrieben, heftig geregnet, auch nachts gingen mehrere Gewitter über diesen Teil der Insel. Zur Freude unseres Fahrers führten deswegen einige Flüsse (die ich eher als Bächlein beschrieben hätte) wieder Wasser – diese waren bei seiner letzten Tour, vor einigen Tagen, völlig trocken gewesen.

Die weitere Fahrt führte uns, vorbei an Ziegenherden und – Farmen, wo der berühmte Halloumi hergestellt wird, zu einer venezianischen Brücke.

Hier zeigte sich erstmals, wieso wir den Ausflug im Jeep und nicht einfach im Kleinbus unternahmen: Eine schmale, rutschige Erdstrasse führte hinunter zu einem idyllischen Fluss, der von der uralten Steinbrücke überquert wurde. Die mächtige Erle, die voll erblüht daneben stand, ignorierte ich so weit als möglich.

Zurück im Jeep ging es weiter in die Höhe, zum Kykkos-Kloster. Es zählt zu den drei grössten Klöstern der Insel, seine Reichtümer seien unermesslich: Neben den zahlreichen Ikonen, Relikten und weiteren Kirchenschätzen gehören auch grosse Ländereien und sogar eine Bank zu dessen Besitz.

Das Dorf etwas weiter unten am Hang, sieht sehr gross aus, aber die meisten Häuser sind verlassen – nur sechs Personen leben offenbar ständig hier. Viele kämen aber zu den Prozessionen hierher (siehe weiter unten). Im Laufe des Tages sehen wir noch weitere Dörfer, bei denen die Häuser wie ein Taubenschlag am Hang kleben. Auch hier stehen aber offenbar viele Häuser leer oder werden eher für Wochenenden oder Ferien genutzt.

Aber zurück zum Kloster:
Im Inneren der Kirche durften wir nicht fotografieren, aber online gibt es dennoch Bilder der goldig-üppigen Pracht.

Vor der versteckten Ikone der Muttergottes, die angeblich der Evangelist Lukas persönlich gemalt hatte, zündete ich eine Kerze an. Die Ikone sei so mächtig, dass kein Sünder ihren Anblick ertragen könne. Nur an Maria Himmelfahrt und Marias Geburtstag wird sie für eine Prozession hervorgeholt. Sie wird aber sichtlich verehrt und soll schon viele Wunder gebracht habe, Auch unser Fahrer spricht sehr respektvoll von ihr.

Für meinen Geschmack hat es etwas sehr viel Gold, auch in der Relikiensammlung, aber die Wandgemälde und die Architektur finde ich sehr schön. Am meisten Freude hatte ich aber an der Krippe, beim Eingang des Klosters: Neben dem Jesuskind wachten hier nicht nur Ochs und Esel, sondern auch, quicklebendig, eine Katze 🙂

Bei immer noch trockenem Wetter fuhren wir weiter in Richtung Restaurant, wo wir das Mittagessen einnehmen sollten. Das Restaurant Two Flowers in Pedoulas gehört zu einem gleichnamigen Hotel und klebt, wie bereits beschrieben, wie für die Dörfer im Troodos-Gebirge typisch, an einem Hang. Die Besitzerin kocht selber, erzählte unser Fahrer, auch wenn das übrige Personal, wie meist in der Gastronomie Zyperns (und auch in unserem Hotel) aus Ländern wie Nepal oder Bangladesh kommt. Für diese Menschen sind 800 oder 900 Euro Monatslohn, bei Kost und Logis, sehr viel, sie können das meiste Geld nach Hause schicken. Zypriot:innen, die vor Corona in der Gastronomie gearbeitet hatten, sind nicht mehr in diese Berufe zurückgekehrt, die als unsicher und eben schlecht bezahlt gelten.

Ich wählte Lammleber, was sehr fein war, wenn auch viel zu viel – und, wie erhofft, einen Platz neben einer Steckdose. Was auch hiess: Einen Platz abseits der Gruppe, was die beiden Paare erst etwas befremdete. Ich erklärte mich (obschon ich das eigentlich nicht müsste): Ich brauche, wenn ich den ganzen Tag um Menschen bin, einfach mal eine Pause. Und weil es im Restaurant recht laut war, setzte ich sogar die Ohrstöpsel rein, was gut tat.

Mit zumindest teilweise geladenem persönlichen und technischen Akku fuhren wir dann weiter, Richtung Mount Olympus. Inzwischen waren einige Wolken aufgezogen, ein paar Tropfen zierten die Frontscheibe, aber ansonsten blieb es trocken.

Das lag vielleicht auch daran, dass wir heiligen Beistand hatten, denn auch unser nächste Stopp war eine Kirche: Die Scheunendachkirche des heiligen Michael. Die Wandmalereien sind auch hier beeindruckend!

Die Strasse – oder besser die Feldwege, auf denen wir anschliessend durch die Wälder weiter fuhren, bestand vorwiegend aus rutschiger Erde, wobei an vielen Stellen eben erst Kies aufgeschüttet worden war, die letzten Arbeiten waren gerade noch im Gange. Zumindest theoretisch wäre hier Gegenverkehr, und wir mussten zwei Mal Lastwagen ausweichen, aber unser Fahrer weiss offenbar, was er macht 🙂

Die Wälder sind selbst jetzt, im Winter, sehr schön – und im Sommer soll hier ein wahres Wanderparadies sein. Im Laufe des Tages sahen wir hier Schwarzeichen, Goldeichen (Immergrün, der Baum Zyperns), Erdbeerbäume, Frangipani und mehr. Die Flora Zyperns ist sehr reichhaltig, auch wenn, wie unser Fahrer schimpft, viel zu viele ausländische Pflanzen eingeführt worden sind. Wir sehen auch einige Pilzsammler und Jäger – die Jagd ist zwar nicht mehr so populär wie früher, weil es nicht mehr so viel Wild, dafür zahlreiche Vorschriften gäbe. Mit über 42’000 registrierten Jäger:innen hat das Land aber immer noch die grösste Dichte Europas.

Schon bald sahen wir dann auch den Schnee, von dem ich bereits gelesen hatte. Und die Skilifte waren in Betrieb. Meine Mitreisenden konnten es kaum glauben und waren erstaunt, dass ich das normal fand. Ich erzählte ihnen, dass ich ähnlich wie sie reagiert hatte, als ich seinerzeit meinen ersten Zypern-Katalog getextet hatte, und beim Bildmaterial ein Logo des zypriotischen Skiverbandes sah. Ich dachte, meine Kolleg:innen wollten mich veräppeln …

Da der Freitag für die türkischen Zyprioten wie Sonntag ist, waren einige von ihnen unterwegs. Aber zum Glück für uns hatten die Behörden am Morgen gemeldet, dass der Berg nur mit Schneeketten oder Viermalvier befahrbar sei – sonst hätte es, gemäss unserem Fahrer, hier oben viel mehr Verkehr, auch Autos mit Sommerreifen. Selbst so parkten die Leute gerade wo und wie es ihnen passt. Der Zypriote an sich geht offenbar nur ungern zu Fuss. Selbst die 200 m vom offiziellen Parkplatz zum Aussichtspunkt sind zu weit. Oder, wie unser Fahrer sagt: Die nehmen das Auto, wenn Sie aufs Klo müssen!

Im übrigen benehmen sich viele Menschen hier so, wie die Japaner auf der Jungfrau: Man merkt, dass sie zum ersten Mal Schnee sehen! Was ich witzig (wenn auch bei deren Fahrweise nicht ungefährlich) finde: Viele bauen einen Schneemann auf der Motorhaube und versuchen, mit dem bis runter ans Meer zu fahren. (ich war nicht schnell genug zum Fotografieren, daher der Link auf ein Stockbild).

Auf deutlich besser ausgebauten Strassen ging es anschliessend wieder runter, in Richtung Weinbaugebiete. Wir hielte in Omodos, einem hübschen Dörfchen mit vielen schön restaurierten Steinhäusern, darunter zahlreiche Restaurants und Souenirshops. Wir probierten hier einige der lokalen Spezialitäten und hatten Zeit für einen Spaziergang.

Lustig fand ich die Soutzoukos:  Durch ein offenes Fenster sah ich in etwas, was ich für eine Kerzenzieher-Werkstatt hielt. War es aber nichts. Die fädeln hier Mandeln auf eine Schnur aus und tunken die dann in Trauben-Dicksaft. Die so entstandenen Würste sind eine beliebte und offenbar gut haltbare Süssigkeit. Bei Bedarf schneidest du einfach was ab. Schmeckt gar nicht mal so schlecht.

Honig, Eingemachtes, Stickwaren, Glaswaren, Gemaltes (auf Papier, Holz oder Kissen) wird hier angeboten, daneben eben auch Wein, in teilweise kuriosen (aber, wie es heisst, natürlichen) Farben.

Inzwischen hatten sich die meisten Wolken verzogen, die Sonne stand recht tief am Himmel, und unser Fahrer strahlte wie ein Honigkuchenpferdchen. Er hatte uns beim Start der Fahrt einen Sonnenuntergang am Aphrodite-Felsen versprochen – und er hat geliefert!

Wir mussten einen leichten Umweg fahren, weil ein Teil der direkten Zufahrtsstrasse abgerutscht war, aber wir kamen gerade rechtzeitig am Meer an. Durch eine extrem enge Unterführung gelangten wir an den Strand, vorbei an Bäumen, die mit Maschen behängt waren, und an beschrifteten Steinen, welche verliebte Paare insbesondere an Vollmond hier anbringen. Es heisst, wer dann drei Mal um den Felsen schwimmt, werde ewig verliebt sein …

Na ja, Vollmond war nicht, ein Partner war auch (noch) keiner dabei, aber wer weiss, was das neue Jahr bringen wird?

Mit 11% Akku (!) traf ich zurück im Hotel ein. Ich machte mich etwas frisch und ging danach zum Essen. Eigentlich wäre noch Live-Show mit Tanz gewesen, was ich normalerweise gerne fotografiere, aber heute war mir das Gewusel im Restaurant schon vorher zu laut.

Ich zog mich aufs Zimmer zurück und ging früh schlafen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Gedanke zu „Paphos Tag 6“

  1. Wenn der Akku spinnt, gibt es Mühe mit der Berichterstatung. Trinkwasser ist ja erträglich wenn . . . fehlt. Schöne Bilder machen mich gluschtig Aenliches zu erleben

    Daddy

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