Zementierte Diskriminierung statt Lösung
Nach meinem Blogartikel über die Ehe gestern hat sich die Diskussion rasch verlagert: Nun ging es nicht mehr um die Definition der Ehe, sondern um das Gesetz zur eingetragenen Partnerschaft und zu den «Versprechen», die von den Befürwortern bei der Abstimmung gemacht worden seien. Schnell zeigte sich, dass auch dieses Thema viel zu komplex ist für Twitter – also versuche ich auch hier, das Ganze aus meiner Sicht mal aufzudröseln.
Dabei schaue ich mir häufig genannte Aussagen an, z.B.
a) Ehe und eingetragene Partnerschaft sind gleichwertig
Was wollen denn die Schwulen und Lesben noch? Sie haben ja jetzt die Möglichkeit, ihre eigene Ehe zu schliessen? – Solche Sätze höre ich immer wieder.
Aber: Wenn beides de facto das gleiche ist – wieso braucht es dann ein separates Gesetzt für die eingetragene Partnerschaft? Ganz einfach: Weil es eben NICHT das gleiche ist!
Die Gegenüberstellung zeigt klar, da gibt es gewichtige Unterschiede:
- In der Ehe kann der / die Haushaltführende eine angemessene Entschädigung einfordern – in der Partnerschaft nicht.
- Die Ehe ermöglicht eine erleichterte Einbürgerung, die Partnerschaft nicht (nur eine verkürzte Frist bei ordentlicher Einbürgerung)
- ordentlicher Güterstand bei Ehe ist die Errungenschaftsbeteiligung, bei Partnerschaft die Gütertrennung
- In der Ehe ist die gemeinsame Adoption bzw. Stiefkindadoption möglich, in der Partnerschaft nicht. ABER: Auch in der Partnerschaft ist man unterstützungspflichtig für die Kinder des Partners bzw. der Partnerin (mehr zum Thema Kinder weiter unten).
- Nachehelicher Unterhalt ist klar geregelt – bei Auflösung der Partnerschaft ist Unterhalt die Ausnahme.
b) Die eingetragene Partnerschaft ist eine Ehe light
Auf Grund der oben angeführten Unterschiede könnte man das auf den ersten Blick so sehen.
Aber: Ich kann mich ja nicht für die «Voll-Ehe» oder die «Light-Ehe» entscheiden, da erstere ausschliesslich gemischten Paaren und letztere ausschliesslich gleichgeschlechtlichen Paaren vorbehalten ist. In anderen, wenigen Ländern ist das anders, da sind beide Institutionen geschlechtsunabhängig (z.B. Frankreich.)
Somit bleiben hier sowohl die symbolische wie die faktische Diskriminierung bestehen. Wie sich das anfühlt, hat ein ein schwuler Freund vor kurzem so beschrieben:
«Das ist wie seinerzeit bei der Rassentrennung. Man erlaubte den Schwarzen zwar, die Busse der Weissen zu benutzen – aber sie hatten gefälligst hinten zu sitzen!»
c) Die Ehe dient dem Schutz der Familie
Das ist das häufigste Argument, das gegen die geschlechtsneutrale Ehe genannt wird. Nur eine gemischte Ehe kann die Familie schützen. Diese Ansicht widerspiegelt sich auch darin, dass praktisch alle Varianten der eingetragenen Partnerschaft explizit das Recht auf Adoption verweigern (siehe Wikipedia).
An diesem Punkt hat sich auch in den letzten Tagen die Diskussion auf Twitter immer wieder entzündet, wobei ich nie eine konkrete Antwort erhalten habe, in wiefern eine geschlechtsneutrale Ehe diesen Schutz der Familie gefährdet bzw. wieso geschlechtsgemischte Ehen diesen sichern:
- Auch wenn das Gesetz gleichgeschlechtliche Ehen erlaubt, werden ja nicht plötzlich nur noch solche geschlossen – genau so wenig, wie nach der Erlaubnis der gemischt-rassigen Ehen plötzlich nur noch gemischte Paare entstanden.
- Die Ehe, wie sie bisher definiert ist, ist keineswegs ein Paradies für Kinder. So gehen z.B. rund 84% der sexuellen Übergriffe von Mädchen von ihren Vätern aus (Quelle). Kinder werden innerhalb der Familien geschlagen, vernachlässigt, lächerlich gemacht und mehr (Quelle).
Und bevor hier der grosse Aufschrei los geht: Ja, ich weiss, nicht in allen Familien geht es so zu und her! Es gibt heterosexuelle Paare, die ihre Kinder liebevoll und kompetent grossziehen. Und das nicht nur während de Ehe, sondern selbst nach einer Trennung oder Scheidung. Allerdings werden gerade auch Scheidungskinder oft physisch und psychisch missbraucht (Stichwort Entfremdung, Partnerersatz etc.
- Knapp 42 % der Ehen werden in der Schweiz geschieden. Auch wenn das gemeinsame Sorgerecht immer stärker verbreitet ist, steigt die Anzahl von Einelternfamilien drastisch – und die sind per Definition ja nicht gemischt-geschlechtlich.
- Bereits heute gibt es in der Schweiz ca. 6000 Kinder, die in sogenannten Regenbogenfamilien aufwachsen – und Studien zeigen, dass diese sich in ihrem Verhalten nicht signifikant von Kindern in traditionellen Familien unterscheiden (Regenbogenfamilien, Familyproject).
Fragen, die sich mir immer wieder stellen:
- WENN man davon ausgeht, dass nur gemischte Paare in der Lage sind, Kinder mit einer “normalen” Geschlechtidentität gross zu ziehen – woher kommen dann all die Schwulen und Lesben?
- WENN ein Kind zwingend beide Geschlechter im selben Haushalt braucht – was passiert dann mit all den verwaisten Kindern bzw. Kindern in Einelternfamilien ohne regelmässigen Kontakt zum anderen Elternteil? Werden die alle Schwul, Lesbisch oder Trans?
- WENN Schwule / Lesben nicht geeignet sind, Kinder gross zu ziehen – wieso nimmt man dann ihr Geld und verlangt die Unterstützungspflicht für die Kinder des Partners bzw. der Partnerin?
Was eigentlich in die Frage gipfelt:
d) Welche Familie soll denn eigentlich geschützt werden?
Auf Wikipedia finden sich unter der Definition Familie 12 unterschiedliche Formen – und der Familienwandel ist immer noch in vollem Gang. Die klare Rollenverteilung “Frau zu Hause bei den Kindern, der Mann als Ernährer der Familie meistens abwesend” wird gerade auch von Männern immer mehr hinterfragt und verändert – Stichworte Papitage, Hausmann, Sorgerecht für Väter …
Wie wäre es, wenn wir weniger abstrakt diskutierten, was DIE FAMILIE braucht – schützt – gefährdet?
Da erscheinen mir einige weitere Fragen viel konstruktiver:
- Wie wäre es, wenn wir uns mehr darum kümmerten, in welchem Umfeld ein Kind geborgen aufwachsen kann?
- Wie stellen wir sicher, dass das Zuhause, das einem Menschen Sicherheit geben soll, für Kinder und PartnerInnen auch wirklich sicher ist?
- Was wäre, wenn wir nicht nur die Familie, sondern das soziale Gefüge als gesundes Umfeld für Kinder definierten?
- Welchen Anteil hat die Gesellschaft am Wohlergehen von Kindern?
- Was spricht dagegen, dass es – friedlich nebeneinander – gemischte Ehen und gleichgeschlechtliche Ehen gibt? So, wie es gemischt-rassige oder bi-nationale Ehen gibt?
Meine Standpunkte:
Ich habe seinerzeit FÜR die eingetragene Partnerschaft gestimmt. Nicht aus voller Überzeugung, aber weil ich den Spatz in der Hand für besser hielt als die Taube auf dem Dach. Dennoch war und ist PartG für mich eine Scheinlösung, welche die Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen PartnerInnen zementiert statt beseitigt.
Würden Unterschriften gesammelt, um PartG abzuschaffen bzw. Ehe UND PartG geschlechtsneutral zu gestalten – ich würde sofort unterschreiben.
Hätte ich Kinder, gäbe es einige gleichgeschlechtliche Paare, die ich mir einzeln oder zusammen als PatInnen wünschte. Umgekehrt kenne ich hetereosexuelle Menschen, denen ich kein Kind anvertrauen würde.
Würden alle, die sich im Umfeld der Homo-Ehe so vehement für den Schutz der Familie einsetzen, sich an ihrem Wohnort oder in ihrem näheren Umfeld KONKRET für das Wohl der Kinder einsetzen, gäbe es massiv weniger vernachlässigte oder misshandelte Kinder.
Ein Gedanke zu „PartG als Scheinlösung“
Kommentare sind geschlossen.