Weihnachten in Neuseeland

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Lovey wird reich beschenkt

Der Tag begann mit einer leichten Verspätung: Erst sollten wir um 9 Uhr abholbereit sein, dann hiess es, wir sollten eine Kleinigkeit (!) essen, weil wir erst nach 10 zum Brunch fahren könnten. Heidi und Ernie, bei denen wir zum Brunch eingeladen waren, hatten nämlich erst noch Ernies kombiniertes Weihnachts- und Geburtstagsgeschenk auf der Southinsel abholen müssen – ein 7 Meter langes Boot!

Die Farm, auf der Bianca seinerzeit ein Jahr lang gearbeitet hat, liegt etwas ausserhalb vom Städtchen und ist sehr weitläufig. Heidis Eltern stammen aus der Schweiz, sie selber wurde aber hier geboren. Ihr Schweizerdeutsch ist etwas eingerostet, weil Grosi und Grossätti, mit denen sie jeweils Dialekt gesprochen hatte, nicht mehr leben. Die Schweiz kennt sie aus ihrer Jugendzeit: Ihr Vater hatte sie mit knapp 18 Jahren dahin spediert, als sie sich in den Helfer verliebte, den der Nachbar zum Zäune bauen schickte … Sie arbeitete damals als Serviertochter im Thurgau, was ihr gar nicht gefiel, dann aber auf einem Bauernhof, was ihr sehr viel Spass bereitete. Und weil der findige Helfer in dieser Zeit einen Touristen aus der Schweiz kennenlernte, bekam auch die Liebe eine neue Chance: Der Schweizer suchte Heidi im Ochsen, erhielt dort ihre neue Adresse und entführte sie, im Auftrag des jungen Mannes, an den Rheinfall zu einem Picknick. She had two options, grinst Ernie, der junge Mann von damals: Enjoy the view and be happy – or bungeejump into the falls.

Offenbar hat sich der Vater inzwischen mit der Wahl versöhnt, denn die beiden Farmen liegen nebeneinander, und die beiden Familien tauschen Hände und Produkte rege aus. Zusammen sind sie fast völlig selbstversorgend, dank Schweinen und Enten, einem grossen Obstgarten, einem Holzhandel und mehr. Die benötigten Maschinen werden entweder neu gekauft oder, wenn es nach Ernie geht, am liebsten alt  – und dann wieder in Stand gesetzt. Der Mann scheint ein begnadeter Handwerker zu sein und ist bestens ausgestattet, wie wir sehen, als wir in die Werkhalle gehen, um sein Boot zu besichtigen. Auch das ist eine Occasion, aber gut erhalten. Ein bisschen was darf er also noch machen 🙂

Ich hab’s nicht so sehr mit den Maschinen, bin aber entzückt über die 12 kleinen Schweinchen, knapp eine Woche alt, und deren tiefenentspannte Mutter: Ich darf mit Heidi ins Gehege klettern und die Mutter streicheln, die zufrieden weiter grast, obschon die Kleinen nur wenige Meter hinter ihr bwz. uns sind. Viel näher dürfte ich aber nicht gehen, vermute ich, denn Heidi sagt, sie beschütze die schon vehement. Vater und Tante sind übrigens in einem separaten Gehege, damit die Mutter, die keine einzige Zitze frei hat, die Kleinen in Ruhe gross ziehen kann. Auch bei den Enten entdecke ich drei flauschige Junge, aber die wollen nicht fotografiert werden und verstecken sich …

Beim Rundgang durch den Obstgarten erfahre ich endlich, was Tangelos sind (Schilder, dass die verkauft werden, sah ich am Strassenrand schon ein paar): eine Kreuzung aus Mandarine und Grapefruit, extrem saftig und sehr fein! Auch Himbeeren gibt’s aktuell, frisch vom Busch, die Reben sind noch grün, Äpfel und Pfirsiche auch. Aber die Ernten scheinen gut zu sein, denn beim Betreten von Heidis aus fiel mir als erstes ein Regal mit Einmachgläsern auf. Die meisten sind jetzt leer, aber Pfirsiche und Zwetschgen aus dem Glas bereichern unseren Brunch, zu dem wir uns mit Heidis Kindern und einem Deutschen, der hier gerade seinen Landdienst begann, schliesslich hinsetzten – an einen riesigen Tisch, der eigentlich ein ca. 8 cm dicker Längsschnitt eines Baumes ist.

Wir werden nach allen Regeln der Kunst verwöhnt, die Stimmung ist gelöst und ich werde selbstverständlich als Teil der Familie angenommen, obschon ich Heidi bis zu Biancas Hochzeit nur virtuell kannte. Das geht so weit, dass es bei der anschliessenden Bescherung, die mit viel Gelächter und Neckerein vollzogen wird, ebenfalls bedacht werde: Mit einem Greenstone-Anhänger, einem Glas Honig und einer Schoggimischung.

Pounamou, wie  die Jade-Anhänger bei den Maoris heissen, sind in den alten Legenden und in der heutigen Kultur der Maori ein wichtiger Bestandteil. Auf den Schnitzereien im Mataatua tragen die Personen jeweils den Hauptgegenstand ihrer beruflichen Tätigkeit aus Jade in der Hand: Meissel, Hammer etc. Ich hatte Lee gefragt, was denn sein Symbol sein würde, und er zog unter seinem Pullover einen grossen Anhänger hervor. Jeder Maori habe so einen Stein, der mit Segenssprüchen und Wissen aufgeladen sei. Aber den könne man nicht kaufen, den kriege man geschenkt … Entsprechend gross ist meine Freude über Heidis Geste!

Freyja geht in der Runde munter von Schoss zu Schoss und hilft tatkräftig mit, ihre eigenen Geschenke auszupacken: Festhalten und zerren kann sie richtig gut! Als sie immer müder wird, spaziere ich mit ihr etwas rum, bis sie einschläft, dann legen wir sie in der Fensternische schlafen.

Kurz nach 14 Uhr verlassen wir die fröhliche Runde, um weiter zu fahren zu Calums Eltern, die uns ebenfalls an Weihnachten bewirten wollen. William, der Grillmeister, steuert ein saftiges Poulet und einen Gratin bei; Marion hat im Ofen einen ganzen Schinken vorbereitet, dazu Maiskolben, Brokkoli und Salzkartoffeln; Bianca und Michael liefern Kartoffelsalat – und schon geht die muntere Schmauserei weiter. Auch hier gibt’s natürlich Bescherung, mit ebenso viel Gelächter und Neckereien. Bianca zum Beispiel kriegt einen Putzeimer, gefüllt mit allem, was man zur Pflege des Autos benötigt. Also: benötigen würde, wenn man es denn machte … Gutmütig lässt sie sich trietzen, trifft aber umgekehrt mit ihren Geschenken sehr wohl den Geschmack der Beschenkten.

Auch hier werde ich mit einbezogen, obschon ich ja von Bianca & Calum schon den Eisenbahnausflug zu Weihnachten erhalten hatte: Von den Greens gibt’s einen wunderschönen Flaschenverschluss aus Glas. Freyja wehrt sich wieder gegen das Einschlafen, landet aber dann doch in einer Kommodenschublade, die, weich ausstaffiert, zur Wiege wird …

Das Wetter war übrigens den ganzen Tag herrlich warm, für einige sogar fast zu heiss … Ich aber habe es genossen! Weisse Weihnachten gab es trotzdem, weil die Hunde ihre Geschenke etwas gar stürmig zerrten und kauten und keine Ruhe gaben, bis sie die flockige Füllung auf der Terrasse verteilt hatten!

Zurück im Hotel liessen Bianca, Calum, Ingrid, Michael und ich den Tag bei Bier und Sekt (ein Geschenk der Motelbesitzerin) ausklingen. Freyja ihrerseits verlangte so vehement nach einem weiteren Fläschchen, dass Bianca zu Hause Nachschub holen musste. Die will auf jeden Fall gross und stark werden! Und ich freue mich einmal mehr, dass ich sie als Patin dabei begleiten darf … wenn auch oft nur von Ferne.

 

Ein Gedanke zu „Weihnachten in Neuseeland“

  1. Spannend, deine Weihnachtstage. Danke! Ich habe jetzt, 26.12. 17.0Uhr das erste Mal frei seit dem 24. morgens! Aber es war schön mit den Familien!
    Liebi Grüess

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