Dublin
Die Ankunft in Dublin war etwas früher als angekündigt, so dass ich erst erwachte, als die AidaVita schon angelegt hatte. Was insofern schade ist, als dass wir hier praktisch IN der Stadt liegen, direkt vor der berühmten Harfenbrücke, die offiziell Samuel Beckett Bridge heisst:
https://de.wikipedia.org/wiki/Samuel_Beckett_Bridge
Entworfen hatte diese der Spanische Architekt Santiago, der auch für die James Joyce Brücke verantwortlich gezeichnet hatte:
http://www.bridgesofdublin.ie/bridges/james-joyce-bridge
Die Einfahrt wäre spektakulär gewesen … Mal sehen ob mir bei der Ausfahrt noch einige schöne Bilder gelingen. Erst aber ging ich in Ruhe frühstücken, sollte doch mein Ausflug erst um 9 Uhr 30 beginnen.
Ich hatte mich für einen geführten Spaziergang angemeldet, bereute dies allerdings schon ziemlich früh: Die Gruppe war viel zu gross, die Leute undiszipliniert, schwatzten ständig drein und wurden pampig, wenn ich sie darauf hinwies, dass ich gerne hören möchte, was Rachel, die Reiseleiterin, zu erzählen hätte: «Dann gehen Sie halt näher ran!» Ich machte das eine Weile mit und erfuhr so doch einiges, was ich nicht wusste, über die Geschichte Dublins, die Georgianische und Viktorianische Architektur und natürlich über einige der berühmten Kinder der Stadt – neben James Joyce natürlich Oscar Wilde, dann aber auch der Duke of Wellington, der bisher einzige Ire, der Premierminister von Grossbritannien geworden ist, Bono von U2, der sogar Ehrenbürger von Dublin geworden ist und es witzig fand, eines der Grundrechte in Anspruch zu nehmen, nämlich seine Schafe im öffentlichen Park grasen zu lassen und zu diesem Zweck extra ein Lamm zur Zeremonie mitnahm. Als dieses in anpieselte, war er aber etwas angepisst … Vielleicht besser, dass da ein anderes berühmte Dubliner Tier, der MGM Löwe, nicht mehr greifbar war, sonst wäre das arme Vieh wohl verfüttert worden.
https://www.thejournal.ie/freedom-of-the-city-3-3226054-Feb2017
Mehrmals hatte ich Gelegenheit, Rachel entweder bei der Übersetzung schwieriger Wörter zu helfen – oder bei Zitaten und Zusammenhängen zu Blooms Wanderungen durch Dublin. Ausser mir und der Referentin kannte in der Gruppe niemand Ulysses, sodass viele Anspielungen auf Taube Ohren fielen.
Weitere berühmte DublinerInnen:
https://www.thefamouspeople.com/dublin-1286.php
https://www.visitdublin.com/ten-dubliners-you-should-know-about
Apropos pissen: Kurz nach dieser Story verliess uns das Wetterglück und es begann zu nieseln. Da viele in der Gruppe Regenschirme zückten, wurde es noch schwieriger – und gefährlicher – der Reiseleiterin zu folgen. Dennoch hielt ich noch eine Weile durch und lernte dadurch eines der schönsten WCs kennen, im Museum neben dem Archäologischen Museum (hab den Namen nicht mitgekriegt, weil wir da auch keine Besichtigung machten).
Die Architektur in der Stadt ist durchaus sehenswert, auch wenn die Blütezeit der Stadt im 19. Jahrhundert lang. Alt und neu liegt hier neben- und teilweise übereinander. Rachel wies auch auf Details hin: Auf die Laternen für Kerzen, die jedes fünfte Haus haben musste, als Strassenbeleuchtung. Auf die grünen Briefkästen, die noch das Logo von George dem VII tragen und ursprünglich natürlich rot angemalt waren. Nach der Unabhängigkeit bestellte die irische Regierung in England (!) eimerweise grüne Farbe, um Briefkästen und Telefonkabinen umzustreichen.
Bei der Statue der berühmten Molly Malone sangen wir gemeinsam das berühmte Lied „In Dublin’s fait city“ oder jedenfalls den Refrain: Alive, alive-o, alive, alive-o, selling Cockrels and Mussels alive, alive-o.
https://de.wikipedia.org/wiki/Molly_Malone
Als Rachel dann die Truppe in ein sehr lautes Pub führte, für eine Bierpause, hatte ich endgültig genug und entschuldigte mich, um auf eigene Faust loszuziehen.
Als Erstes ging ich zum Trinity College, um die berühmte Bibliothek und das Book of Kells anzusehen. Ich wusste, dass die hier die Leute nur kontingentiert hereinlassen und wollte sicher sein, dass ich einen Slot kriegte. Da ich wieder mal falsch abbog, landete ich bei einem Seiteneingang, wo man Tickets am Automaten, mit Kreditkarte, lösen konnte. Ich kriegte eins für 12.30, aber als ich den Haupteingang fand, wurde ich damit an der Schlange jener vorbeigelotst, die noch Ticket kaufen mussten, und wurde nach nur wenigen Minuten Wartezeit, kurz vor 12, hereingelassen. Auch mit Kontingent tummeln sich da extrem viele Leute – ein Foto ohne Köpfe zu machen, war fast nicht möglich. War aber sehr, sehr eindrücklich: https://www.tcd.ie/visitors/book-of-kells/
Anschliessend verkrümelte ich mich wieder in Seitenstrassen, wo es etwas ruhiger war, und freute mich an lustigen Schildern, schrägen Läden und architektonischen Details. Eher per Zufall entdeckte ich so auch die St. George Arcade, die erste Shopping Mail Europas, wo ich mir feinen Aran Fudge kaufte; etwas später eine spanische Weinhalle, wo ich keine Innereien genoss, aber mich mit einer feinen Tagessuppe aufwärmen konnte.
https://www.georgesstreetarcade.ie
Freude bereiteten mir einige Strassenkünstler, insbesondere eine ältere Frau, die Handorgel spielte und mich, als ich ihr etwas Kleingeld ins Körbchen legte, in ein Gespräch verwickelte. Als ich mich verabschiedete, gab sie mir einige der wunderbaren Irischen Segenswünsche mit, die man hier auch auf Geschirrtüchern und Kühlschrankmagneten kaufen kann. Aus ihrem Mund klangen sie aufrichtig und berührend …
Ich bin sicher, dass man sich in der Stadt bei schönem Wetter und weniger Menschen ausgiebig vertun kann. Mir reichte es kurz nach 14 Uhr, und ich machte mich auf den Weg zurück zum Elternhaus von Oscar Wilde, wo der Shuttle Bus auf mich wartete.
Jetzt, wo ich dies schreibe und Fotos bearbeite, kommt die Sonne wieder zwischen den Wolken hervor, Was gut ist, denn um 18 Uhr soll es auf Deck 10 eine Tanzvorführung geben. Ich nehme euch nachher mit, ok?
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Da bin ich wieder. Das Ganze fand dann doch drinnen statt und einige von euch haben mich via Facebook live begleitet (die Videos findet ihr in meiner Timeline, falls nicht). Die Celtic Rhythm Irish Group brachte mit Gitarre, Geige, Querflöte oder Tin Whistle und der keltischen Trommel Stimmung ins Theater. Zwei Tänzerinnen und ein Tänzer zeigten verschiedene Facetten der irischen Tänze, inkl. Stepptanz. Oder, wie der Leiter der Truppe das nannte, A-capella-Tanz. Und zu meinem Irischen Whiskey kam ich auch noch. war sehr fein, auch wenn sich eine Dame beschwerte, dass weder Whiskey noch Guinness eingeschlossen waren. Fürs Protokoll: Ein Guinness hätte 90 Cent gekostet, der Whisky 4 Euro 50. Abe
Aber heute waren die Leute eh motzig: Ein Teil des Publikums war extrem unruhig, es war ein ständiges Kommen und Gehen, wobei die Leute zwischen Bühne und Publikum durchlatschten. Beim Herausgehen bekam ich mit, wie sich ein paar Leute bei der Gastgeber-Leiterin beschwerte, es habe nicht genügend Plätze im Theater, sie hätten ja nicht mal nebeneinander sitzen können. Annette meinte, das Theater wäre auf 890 Normpopos ausgelegt, und jeder könne selber entscheiden, was denn diese Norm sei. Falsche Antwort offenbar, denn die Leute zeterten weiter. Ich aber machte mich aus dem Staub bzw. auf den Weg ins Calypso-Restaurant, zum Znacht. Natürlich war ich nicht die einzige und so musste ich an gewissen Stellen anstehen. Fand ich nicht schlimm, ich bin hier noch nie verhungert. Allerdings musste ich mit so einige Gespräche anhören und ich sage euch: Wenn ich da teilweise mitkriege, wie Pärchen miteinander umgehen, bin ich richtig, richtig froh, bin ich alleine unterwegs. Und bei einigen, die sich lauthals über Behinderte aufregten, welche die Gangway ewig blockieren würden, wurde ich richtig grantig: “Seien Sie doch einfach froh, dass Sie noch so gut zu Fuss sind. Ein kleiner Unfall genügt und Sie wären auch froh, wenn Leute Ihnen etwas Zeit liessen.” Schien aber nicht zu wirken, denn eine der Frauen meinte zu ihrer Kollegin: “Wenn ich hätte schleichen wollen, hätte ich auch gleich mit meiner Mutter verreisen können. Mit der kommt man auch nirgends hin …”
Keine Ahnung, ob’s am nahenden Vollmond liegt, aber für heute hatte ich genug Giftiges gehört. Ich verzog mich nach dem Hauptgang an Deck, um das Ausschiffen zu fotografieren, verzog mich dann mit einem Dessert in eine ruhige Ecke und verschwand früh auf meiner Kabine. Hoffen wir, dass die Leute morgen etwas solidarischer sind. Schliesslich geht’s nach Liverpool, und deren Song ist ja: You never walk alone …
“nach em Räge schynt d’Sunne …..”
Auch bei uns so. Auf meinen Reisen bin auch ich gern der Einzelgänger, der sich abseits der Gruppe bewegt und habe damit gute Erfahrungen gemacht, da ich ohne die “geschwäzige” Gesellschaft mehr sehe.
Daddy