Seit 35 Jahren wusste ich, dass dieser Tag kommen würde – und trotzdem hatte ich alles versucht, um ihn möglichst weint hinaus zu schieben. Schliesslich hält so ein künstliches Kniegelenk nicht ewig … Aber seit einigen Monaten hat sich mein Gang so verschlechtert, dass die linke Hüfte und das linke Knie immer mehr in Mitleidenschaft gezogen wurde. Also liess ich mich an den Spezialisten überweisen, wohl wissend, dass nach 3 OPs nun nur noch die Radikallösung blieb. Mit viel Glück ergatterte ich einen abgesagten OP-Termin, schon eine Woche nach dem Ersttermin beim Knochenschlosser, sonst hätte ich bis Oktober warten müssen.
Und so blieb mir kaum Zeit, mich in eine Hysterie hinein zu steigern: Ich legte im Geschäft einen fulminanten Schlussspurt hin, machte die Wohnung krücken-tauglich, organisierte Katzentanten und packte mein Köfferchen: Nachthemden für 7 Tage Schulthessklinik in Zürich, T-Shirts und Hängerchen für 5 Tage Schulthessklinik Bad Zurzach. Allerdings war es in der ersten Woche in Zürich so heiss, dass ich fast alle meine Wäsche aufgebraucht hatte, als ich ins Park-Hotel umzog, wo die Reha-Abteilung der Schulthessklinik eingemietet ist. Zum Glück haben die da einen tollen und extrem schnellen Wäscheservice!
Aber zurück nach Zürich: Vor der OP besuchte mich Herr Lemke, der Spitalpfarrer, und lenkte mich mit seinem köstlichen Humor ab. Ein herzliches Danke dafür! Das Einsetzen des Schmerzkatheters, vor dem ich mich sehr gefürchtet hatte, bekam ich kaum mit – und das nächste, was ich hörte, war: «Es ist alles gut gegangen – nur etwas anders, als geplant …» Einmal mehr hat sich gezeigt, dass bei mir im Inneren die komischsten Dinge ablaufen, die auf dem Röntgenbild nicht sichtbar waren. «Groteske Knochenverwachsungen» hiess das dann im OP-Bericht, der sich liest, wie das Drehbuch zu «Kuck mal, wer da hämmert!» Offenbar musste das Gelenk erst frei gemeisselt werden, was völlig neue Höhenverhältnisse schuf und bei der Prothese Anpassungen in der Höhe und der Achse zur Folge hatte. Weil der Knochen ausgerechnet da, wo die Seitenbänder befestigt waren, in die Breite gewachsen war, wurden die im Laufe der Zeit immer stärker gedehnt und waren jetzt viel zu locker, so dass die gestrafft werden mussten. Die Kniescheibe, offenbar ebenfalls völlig verformt, wurde kurzerhand mit ersetzt. Um die Bänder zu stützen, musste ich eine Schiene tragen, die mein Knie während Belastungen völlig gestreckt hielt – nur auf der Kinetec, der Knie-Beweg-Maschine, durfte ich die Schiene die ersten Tage ausziehen. Da es, wie gesagt, sehr heiss war, war das etwas unbequem, und ich freute mich riesig, als ich das Ding wenigstens nachts ausziehen konnte.
Dennoch hätte ich bereits am Tag nach der OP aufstehen und mit dem Taurus, einem Unterarm-Stützwagen, umhergehen können. Hätte – weil mein Kreislauf sich entschieden dagegen wehrte, die Horizontale zu verlassen. Normalerweise ist bei mir der erste Tag nach der OP ein Totalausfall, dann geht es wieder. Diesmal brauchte ich mehr als 3 Tage, bis ich einigermassen stabil war. Zum Glück waren die Pflegenden sehr verständnisvoll und haben mich Schrittchen für Schrittchen wieder auf die Beine gebracht, so dass ich dennoch, wie vorgesehen, am 7. Tag nach Bad Zurzach übersiedeln konnte.
Mit Physio, kühlenden Wickeln, kleinen Spaziergängen und viel Lachen, dank einer aufgestellten Zimmernachbarin, verging die Zeit sehr schnell, und inzwischen war ich so sicher auf den 4 Beinen, dass ich sogar einen Tag früher als geplant nach Hause gehen konnte. Das Fädenziehen erfolgte ambulant, da ich ja ohnehin die Emery-Physio im Park-Hotel besuche. Inzwischen habe ich jetzt eine neue Schiene erhalten, mit der ich das Knie auch beim Gehen geführt beugen kann. Damit drehe ich meine Runden und mache meine Übungen. Dazwischen arbeite ich bereits wieder 50%, ab nächste Woche darf es auch mehr sein.
Schon jetzt habe ich weniger Schmerzen als vor der OP, die Verspannungen in der linken Hüfte sind völlig weg. Am Winkel muss ich noch arbeiten, aber es sind doch schon fast wieder 90 Grad … Ich bleib dran, bin aber sehr zuversichtlich. Schliesslich ist mein Knie jetzt 54 Jahre jünger als ich – das kommt gut!
Geduld, Geduld, Geduld ist, was Du jetzt benötigst. Nur damit, und mit viel Üben wird alles wieder gut.
Daddy