Papa Moll und ich

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Papa Moll – Bild vom Geburtstagsfest

An Auffahrt musste ich arbeiten, weil mir ein Kunde eine Expressübersetzung aufs Auge gedrückt hatte.  Nicht weiter schlimm: Als Selbständige kann ich ja dafür ein ander Mal einen freien Tag einziehen. Nur hat es natürlich wieder mal meine Wahrnehmung des Kalenders durcheinandergebracht. Als ich gegen Abend, mit einem Kopf voller Gigawattstunden und Optimierungspotenzial, einen kleinen Spaziergang machte und dann auf Kaffee und Kuchen im Höfli einkehrte, war mir überhaupt nicht bewusst, dass ein Feiertag war.

Das Restaurant war relativ leer. Hinten in der Ecke sassen Eltern, die dazu gehörenden Kinder spielten in der Kinderecke im Gang, mehrheitlich friedlich und leise. Ich erhielt meinen Latte Macchiatto und ein Erdbeerchüechli – und dann kriegte die Familie ihr Essen. Was die Kinder natürlich an den Tisch brachte.

«Jö, lueg, Papa Moll!»

… freute sich das Mädchen, und ich musste schmunzeln. Zwar wurde es nun etwas lebhafter am Nebentisch, aber ich las noch, wenig beunruhigt, weiter.

Dann kam eine Grossfamilie, die offenbar reserviert hatte: Eltern, Grosseltern, Kinder. Die brauchten ewig, bis sie sich nur auf Sitzplätze einigen konnten – und schoben ihre Papa-Moll-Tischsets entsprechend fleissig hin und her. Meine Nerven litten …

Inzwischen war es kurz nach 18 Uhr  – und eine Familie nach der anderen trudelte ein. Was soll das? Hier hat’s NIE Familien, wenn ich Kaffee und Kuchen geniesse (wenn ich gereizt bin, neige ich zu Verallgemeinerungen). Die Kinder hatten, wie Kinder halt so sind, schnell entdeckt, dass es hier a) eine Spielecke und b) andere Kinder gab. Entsprechend wuselten sie herum, stiessen dabei an meinen Tisch und gefährdeten nicht nur meine Laune, sondern meinen Kaffee akut.

Ich trank den Rest aus, wollte nur noch zahlen und raus. Ich hätte die Knirpse erwürgen können! Ja, ich, die ich so gerne eigene Kinder gehabt hätte; ich, die ich mich ehrenamtlich für Kinder engagiere.

Und dann sah ich, wie eines der Mächen mit roten Backen, so rot wie Papa Molls Weste, ihr Tischset ausmalte. Und musste über mich selber schmunzeln.  Ausser mir hatte hier niemand ein Problem. Dass ich Lärm schlecht ertrage und vergessen hatte, dass heute Feiertag  war– und damit auch Familientag, konnte und musste die Leute nicht kümmern. Beim Herausgehen trat ich deshalb

zu der Kleinen hin, beugte mich zu ihr runter und sagte:

«Hast du aber ein Glück!»

… mir geben sie NIE ein Papa-Moll-Tischset …  Die Eltern, denen bei meinem etwas überstürzten Aufbruch wohl schon schlimmes schwante, lachten erleichtert auf. Und ich ging  – nicht mehr genervt, nur etwas schneller als geplant – zurück zu meinem Buchstabensalat.