Reisen mit Handicap – Blogpost im Rahmen von #sbbservicescout

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Tipps und Links für Reisende mit eingeschränkter Mobilität

Wer mich kennt und / oder meine Reisebericht seit längerer Zeit verfolgt, weiss, dass ich seit meinem Skiunfall mit 17 Jahren in meinen Bewegungen eingeschränkt war. Kurzfristige Geleisänderungen konnten dazu führen, dass ich einen Zug verpasste, weil ich nicht schnell genug die Treppe runter, unter den Gleisen durch und am gewünschten Ort wieder hoch kam. Das sind aber kleine Probleme, verglichen mit dem, was meine Freundin erlebt, wenn sie mit einem gesunden Kind und einem Kind im Rollstuhl unterwegs ist: Ohne minutiöse Planung geht da gar nichts – und spontan einfach mal einen Ausflug machen oder die Route zu ändern, geht gar nicht. Erst müssen zahlreiche Fragen geklärt werden, wie:

  • Wo hat es Rampen oder Lift, damit ich aufs Gleis komme?
  • Ist der Einstieg ebenerdig – oder muss ich den Rollstuhllift anfordern?
  • Reicht die Zeit zum Umsteigen?

Auch für meine sehbehinderte Kollegin ist Reisen nicht immer einfach:

Die neuen Tafeln beim HB Zürich, zum Beispiel, sind für sie viel schlechter lesbar als die alten, und auch die kleinen Monitore am Gleis sind für sie nicht immer gut lesbar. Oft muss sie deshalb beim Bahnpersonal oder bei anderen Reisenden um Unterstützung bitten.

Umgekehrt lobt mein Kollege mit starker Hörbehinderung die Screens in den Zügen:

Diese leiten ihn im Normalfall sicher ans Ziel . Nur bei Störungen – also gerade dann, wenn erhöhter Informationsbedarf besteht – sind die oft nutzlos: Da heisst es dann oft einfach, «beachten Sie die Lautsprecherdurchsage» – und das ist für ihn eben keine Option. Wenn wir zusammen reisen, schreibe ich deswegen jeweils im Telegrammstil auf Handy oder iPad, was er wissen muss – an sonsten ist er auf die Hilfe der fremden Mitreisenden angewiesen.

Mit diesem Hintergrundwissen erstaunt es sicher niemanden, dass ich mir, als ichmich als #sbbservicescout vertieft mit dem thema barrierefreies, autonomes Reisen zu beschäftigen begann. In den letzten Monaten habe ich recherchiert, mich mit Betroffenen und mit Zuständigen bei der Bahn ausgetauscht. Mein erstes Fazit;

Viele Unterstützungsangebote der SBB sind nicht bekannt

Und das gilt nicht nur für Betroffene, sonder teilweise auch für Angestellte der SBB!  Tief versteckt auf der Webseite gibt es nämlich eine Seite mit sehr vielen hilfreichen Links und Angeboten: SBB – Reisende mit eingeschränkter Mobilität

Wer Hilfe beim Ein- und Aussteigen benötigt, kann diese von 6 bis 22 Uhr unter 0800 007 102 anfordern – je nach Bahnhof muss dies 1 oder 2 Stunden vorher geschehen. Hier kann man sich auch informieren, welche Züge und Bahnhöfe bereits für autonomes barrierefreies Reisen eingerichtet sind; wo technische Hilfsmittel (Rollstuhllift / Rampen) angefordert werden müssen; welche Verbindungen sich eignen etc.

Auf dieser Seite finden sich aber auch zahlreiche Links zu hilfreichen Services und Broschüren. Eine wahre Fundgrube ist die Broschüre

Barrierefrei unterwegs

Auf 75 Seiten wird hier  zusammenengefasst ist, wie die Reise am einfachsten organisiert und geplant wird, welche Vergünstigungen gelten, welche Hilfsmittel die SBB zur Verfügung stellt, was Dritte zur Reise-Erleichterung beitragen etc. Die Broschüre richtet sich explizit an Menschen mit Mobilitätseinschränkunen, an Seh- und Hörbehinderte und an Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen.

Zu all diesen Themen gibt es auch Online-Informationen. Hier die entsprechenden Links:

Fahrvergünstigung für Reisende mit Handicap:
Wer hat Anspruch? Wo kriege ich die entsprechenden Ausweise? Was gilt für Assistenzpersonen und -Hunde etc?

Autonomes Reisen mit Behinderung:
Wo und wann verkehren Niederflurfahrzeuge? Wo und wie bestelle ich Hilfsmittel für Rollsuhlfahrer? Wie plane ich online barrierefreies Reisen etc?

Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte:
Wo, wie und wann fordere ich Hilfe an? Welche Umsteigzeiten muss ich beachten? Was passiert, wenn mir Privatpersonen helfen – und es geht etwas schief?

Hörbehinderte
Wie  nutze ich die Induktionsverstärker, die es an den Schaltern bei zahlreichen Bahnhöfen gibt? Wie kann ich via Procom-SMS Hilfe in Notsituationen anfordern – oder bei Betriebsstörungen schriftliche Informationen erhalten? (Ja, das gibt’s! War mir völlig neu – ist DE, FR und IT erhältlich!)

Blinde und Sehbehinderte
Wie bestelle ich Fahrkarten oder bediene die Billetautomaten? Wo erhalte ich telefonische Auskünfte bei Betriebsstörungen oder Problemen? (Hier besteht übrigens, wie bei meiner eigenen Webseite, noch Handlungsbedarf: Die Seite kann nicht durch One-Klick vorgelesen werden … Bedürfnis ist aber erkannt und soll in die neue Seite einfliessen).

Informationen in leichter Sprache
Das Wichtigste rund ums Reisen mit der SBB, einfach und verständlich erklärt.

Zwischenfazit:

Seit 2001 hat die SBB im Rahmen des Mobilitätskonzepts für Reisende mit Handicap schon einiges verbessert – aber noch ist echtes, autnomes Reisen nicht vollständig möglich. Bei meinen Recherchen habe ich von zahlreichen Problemen gehört, die von unfreundlichem Personal (Rollstuhllift) über falsche Informationen (1. Klasse verkauft, obschon es kein Rollstuhlabteil in der 1.Klasse gab) zu völlig fehlenden oder falschen Informationen reichen (die Seite Handicap kennen nicht alle Schalterbeamte, Dienste wie Procom offenbar nur wenige Zugbegleiter).

Symbolbild: Frau im Rollstuhl vor dem Zug – Bigstock

Symbolbild: Frau im Rollstuhl vor dem Zug – Bigstock

Das Thema ist extrem komplex: Bei der SBB sind zahlreiche Bereiche betroffen – Fahrplanplanung, Fahrzeugbeschaffung, Infrastruktur, Kommunikation etc. Da hier vorwiegend Menschen ohne Behinderung tätig sind, liefert ein Behindertenbeirat die Sicht der Betroffenen. Und mit diesem Beirat darf ich in der nächsten Zeit sprechen! Das Resultat dieses Treffens werdet ihr in einem weiteren Blogpost erfahren

Bei meinen Recherchen habe ich auch zahlreiche Wünsche entgegen genommen – und bei der SBB entsprechend einige Anregungen platzieren:

  • Der Informationsbereich für Reisende mit Handicap sollte ab Startseite verfügbar sein – sowohl im Web wie auch in der App.
  • Schalterpersonal und Zugbegleiter sollten zumindest diese Grundseite kennen und Betroffene auf die möglichen Hilfsmittel aktiv aufmerksam machen.
  • Bei Störungen sollte auf den Bildschirmen nicht einfach stehen:
    Beachten Sie die Lautsprecherdurchsage, sondern eine Information im Stil: Schriftliche Informationen erhalten Sie via SMS unter
    Deutsch: 079 702 01 00
    Französisch: 079 702 05 05
    Italienisch: 079 702 06 06
  • Bei den Monitoren und den Fahrplantafeln sollte eine Tafel in Braille auf die Televox-Nummer der Blinden- und Sehhilfe aufmerksam machen: 031 390 88 88, bei Automaten sollte die Kontaktnummer 0800 11 44 77 ebenfalls in Braille und in grosser Schrift vermerkt werden.
  • In der SBB-App sollte  bei der Zugskomposition klar ersichtlich sein, wo ebenerdiges Einsteigen möglich ist (autnonomes Einsteigen mit Rollstuhl / Kinderwagen), wo die Türen breit genug sind, dass man mit Hilfe autonom einsteigen kann etc.
  • Rampen sollten bei der Bahnhofsignalisation besser gekennzeichnet sein, damit man den kürzesten Umsteigeweg schneller findet.

Jetzt seid ihr dran:

Falls ihr weitere Wünsche / Anregungen/ Kritikpunkte habt, meldet euch – entweder hier im Kommentarfeld oder via Mail. Ich werde die Themen bei meinem Gespräch mit dem Behindertenbeirat und mit den Leuten von der SBB aufnehmen.

Disclaimer

Als #sbbservicescout  erhalte ich von der SBB ein GA 2. Klasse für ein Jahr zur Verfügung gestellt, plus CHF 345 zur freien Verfügung für Klassenwechsel, Konsumationen im Speisewagen etc. Damit sind die 3 Blogposts abgegolten sowie die redaktionelle Aufbereitung von ca, 6 Inhalten pro Monat, die ich (wie vorher schon)  via Facebook und Twitter verbreite – neu einfach unter dem Gesichtspunkt Kundenzufriedenheit bzw. Kundenkritik, gekennzeichnet mit #sbbservicescout.