Erinnert ihr euch noch, wie ich mich nach dem Chaos in San Francisco freute, dass ich über Shanghai zurückfliege? War etwas voreilig … Offenbar hat das Universum das etwas falsch interpretiert, und ich bekam mehr von Shanghai zu sehen, als mir lieb war! Angefangen hat die Rückreise perfekt: Ich hatte alles zusammengepackt, Gepäckgewicht nur minimal überschritten, trotz den Zugaben nach Deutschland (Ingrid, da melde ich mich dann noch), die Kinder holten mich pünktlich ab, wir vertrödelten noch etwas Zeit und fuhren dann bei schönstem Wetter und bis zu 33° Celsiuis nach Rotorura. Dort musste ich dann doch mit dem Gepäck etwas mauscheln und Rucksack schwerer, dafür Koffer leichter machen, aber dann ging alles flott. Wunderbare Aussichten bei Stadt und Landung!
In Auckland hies es erst, den Koffer abholen und zum International Terminal schieben, da wieder einchecken – diesmal ohne Gewichtsprobleme, dafür mit manueller Umbuchung, damit das Riesenbaby nicht nur bis Shanghai ging, sondern direkt nach Zürich. Ob das schon ein Omen hätte sein können? Noch war ich guten Mutes, las etwas, ass etwas, surfte im Netz und verplemperte die Zeit bis kurz vor Mitternacht, wo wir Richtung Shanghai starteten. Ich hatte einen Gangplatz in einer dreier Reihe, Flugzeug war gut besetzt, aber nicht übertrieben laut oder nervös, so dass ich etwas dösen konnte –richtig geschlafen hatte ich nicht, aber das störte mich nicht: Wir sollten kurz vor sieben in Shanghai ankommen, kurz nach 9 Weiterfliegen, da würde ich dann genügend Zeit zum Schlafen haben.
Ankunft war sogar etwas früher als geplant, Weiterflug wurde auf der App mit 9 Uhr 50 angegeben, kurz nach 1 Uhr Ortszeit hatte mir Swiss eine SMS geschickt, dass der Abflug verspätet sei. Diese halbe Stunde machte mir keine Sorgen, aber kurz danach kam die nächste Meldung: Verspätet, ohne Angabe von Uhrzeit. Da waren wir schon unterwegs in den Transfer, der für Swiss-Passagiere eigentlich unkompliziert wäre: Die brauchen im Normalfall weder Fingerprintterminal zu nutzen noch eine Ankunftskarte auszufüllen. Spätestens, als wir beim Transit in eine eigene, ultra-lange Schlange geschockt wurden, war dann aber klar, dass nichts normal sein würde: Wir wurden zurückgeschickt, um unsere Koffer zu holen, weil die Verspätung länger dauern würde. Dann sollten wir normal durch den Zoll und uns in der Halle bei einem Schalter von New Zealand Air melden, weil wir mit denen reingekommen sind. Gepäckband war schnell gefunden – Koffer allerdings nicht. Auf Anweisung eines sehr schlecht englisch sprechenden Angestellten einmal quer durch die Halle gejoggt, zum Oversize Bagagge. Nichts. Sieben Anläufe, bis einer verstand, dass ich auf der Suche nach einem Koffer war, der schickte mich zum Bagagge Lost an Found, der sich – ihr erratet das sicher – auf der anderen Seite der Halle befand. Dort wollte man meinen Bagage Sticker sehen, den zeigte ich auch, aber nein, nicht den, den für Shanghai, aber den hatte ich ja nicht mehr, weil der in Auckland gegen jenen für Zürich ausgetauscht worden war. Hin- und Her unter den Diensthabenden, dann hiess es, ich solle ohne Koffer durch den Zoll und den zur Not in Zürich suchen lassen. War mir eigentlich auch ganz recht, da war nichts drin, was ich dringend gebraucht hätte. Was, wie sich zeigte, gelogen war, denn bei der Umpackerei war die Stehhilfe im Koffer gelandet, was ich später bitter büssen sollte.
Also ab zum Zoll, der gar nicht so einfach zu finden war – und die Leute hier verstehen wirklich jeweils nur genau die drei oder vier Sätze englisch, die sie für ihre Arbeit benötigen. Alles, was aus dem Rahmen fällt, überfordert die. Am Zoll wollten sie die Quittung vom Fingerprinter sehen, und eine Arrival Card. Hatte ich natürlich nicht, weil wir als Transiter ja keine … Egal, muss jetzt doch sein! Also zurück, Kugelschreiber suchen, Karte ausfüllen, Finger scannen, wieder zum Zoll. In der riesigen Halle völlig aufgeschmissen: Wo ist da ein New Zealand Air Schalter? Alles Fragen hilft nichts, ich bin kurz vor dem Nervenzusammenbruch, habe ich doch inzwischen von der Steherei und dem Gewicht des Rucksacks recht starke Schmerzen; da gibt mir ein Reisender den Tipp, es vorne rechts beim Tourist Office zu versuchen, die würden leidlich englisch sprechen. Von denen erfahre ich, dass ich einen Stock höher in Sektor C suchen soll. Isch all da …
In Sektor C treffe ich – Überraschung! – auf eine ultralange Schlange und einige Mitreisende, denen ich bei der ganzen Rennerei und Steherei schon mehrmals begegnet war. Wir trugen unsere durchaus unterschiedlichen Informationen zusammen und erhielten so ein ungefähres Bild, was los war: Wir sollten uns erst am besagten Schalter melden (allerdings bei Swiss), dann würden wir samt Gepäck in ein Hotel gebracht, weil es offenbar länger dauern würde, bis wir fliegen könnten. Nur: Gepäck hatten die wenigsten von uns … Und die Schlange bewegte sich kaum vorwärts. Ein mitleidender Mitreisender organisierte einen Schemel für mich, sodass ich mich wenigstens setzen konnte – meinen Rucksack nahmen sie als Platzhalter in der Schlange mit. Am Schalter erhielten wir einen Voucher im Wert von ca. 8 Franken für Verpflegung, durften einen Blick auf einen Zettel werfen, auf dem Stand, was wir schon wussten, dass der Flieger verspätet sei, dann wurden wir zur Seite geschickt zum Warten – worauf, war niemandem wirklich klar. Irgendwann wurde uns das zu bunt, wir begannen zu motzen, was uns immerhin weitere Gutscheine einbrachte – und die Anweisung: Geht im Burger King oder so frühstücken und kommt in einer halben Stunde wieder, bis dann haben wir euer Gepäck hier, dann fahren wir ins Hotel. Leider waren die Leute im Bereich Gastronomie noch nicht wirklich wach: Wir konnten erst nach 20 Minuten bestellen, und Essen gäbe es frühestens in weiteren 20 Minuten … Also nur Getränke, dann runter zum Schalter, wo – Halleluja – mein Koffer stand. Und ein weiterer. Sonst nichts … Ich und die glückliche andere Gewinnerin der Kofferlotterie wurden zu einem Bus gebracht, der uns zum Hotel bringen sollte. Also: theoretisch.
Praktisch tat sich gar nichts. Der Fahrer verstand kein Wort Englisch, zeigte nur immer auf die Uhr, aber das half uns nichts wirklich weiter. Nach rund einer halben Stunde kam jemand und brachte uns Wasser, woraus wir messerscharf schlossen, dass das hier noch etwas dauern könnte. Tatsächlich trudelten die anderen – nun alle mit Gepäck – gut eine Stunde später ein und waren recht überrascht, uns zu sehen. Sie brachten die News mit, dass ein Start wahrscheinlich nachts kurz nach drei erfolgen werde, es sei aber noch nichts bestätigt.
Eine kurze Fahrt brachte uns ins Hotel Primus und da hätte man es durchaus gemütlich haben können: Eine riesige Lobby empfing uns, auch die Zimmer erwiesen sich später als sehr komfortabel, Essen war fein … Nur: Auch hier sprachen die wenigsten vernünftig Englisch, niemand konnte uns sagen, wie es konkret weitergehe. Wir erhielten Zimmerschlüssel, einige Essensgutscheine für Mittag- und Abendessen – die anderen mussten dafür kämpfen, ohne dass eine Logik ersichtlich war. Also bezogen wir unsere Zimmer, machten uns etwas frisch und gingen dann essen. Und nu? Schlafen oder nicht? Wie lange? Intensives Nachfragen an der Réception brachte eine neue Zeit ins Spiel: Weitere Informationen folgen um 19 Uhr. Heisst das, wir müssen um 19 Uhr samt Gepäck wieder bereitstehen? Wusste natürlich keiner … Wiederholt wurde stur. News at seven! So richtig erholen ging damit nicht … Der Swiss-Kundendienst via Twitter reagierte zwar, konnte aber auch nicht weiter helfen, wir müssten uns an die Informationen im Hotel bzw. am Flughafen halten. Uns allen war und blieb schleierhaft, wieso die es nicht geschafft hatten, einen Agent ans Gate zu schicken, der die gestrandeten Reisenden empfing und durch das ganze Prozedere hätte leiten können. Immerhin wussten die bereits 8 Stunden bevor wir landeten, dass wir nicht würden weiterfliegen können. Die Frage werde ich Swiss auf jeden Fall noch stellen.
Aber für den Moment konnte ich nichts ändern, aöso gönnte mir ein Entspannungsad und döste danach etwas, schreckte aber immer wieder auf. Kurz vor 19 Uhr packte ich alles fixfertig ein – diesmal mit Stehhilfe im Rucksack – und traf meine Schicksalsgemeinschaft an der Réception, an der es – wen wundert’s – erst Mal KEINE News gab. Go eat first, then news. Nur: Das Restaurant hatte noch gar nicht offen …
Mir reichte es. Und wenn ich den selber bezahlen muss – ich brauche jetzt einen Whisky! Wer kommt mit zur Bar? Unser Fähnlein der sieben Geknickten liess sich bedienen – und ihr glaubt gar nicht, wie lange man an einer Mojito-Zubereitung haben kann. Aber fein sei er gewesen, meinten die Geniesser, und ausgesehen haben die wunderschön. Mein Whisky war auch gut, unser Galgenhumor kehrte zurück. Zurück kehrte, oh Wunder, auch eine Lobby-Mitarbeiterin mit einer Liste: Wake-up Call will be 11 pm, Departure at the Hotel midnight, Flight leaves at 3 15 am.
Damit war klar, dass sich Schlafen nicht mehr lohnen würde, und so schoben wir kurzerhand ein paar Tische zusammen, begrüssten weitere Mitleidende in unserer Runde und plünderten Buffet und Desserbuffet.
Als ich kurz nach halb zwölf in die Lobby kam, wuselten hier jede Menge Leute rum: Nicht nur wir wurden abgeholt, sondern Passagiere für drei weitere Flüge, die planmässig mitten in der Nacht starten. Welcher Bus für welchen Flug geplant war, sah man erst, wenn man sein Gepäck abgegeben und eingestiegen war – die Busse waren nur innen angeschrieben. Aber egal, es fuhren alle zum gleichen Flughafen … Hiess es jedenfalls. Und tatsächlich wurden wir am richtigen Ort ausgeladen – und uns wieder uns selber überlassen. Vorher aber amüsierten wir uns noch über einen kleinen Jungen, der seine Mama fragte, wie spät es sei? Sie meinte, kurz vor 6 Uhr. Er: Aber die Uhr zeigt was anderes an. Sie: Ja, da steht 23.50. Er (rechnet): Also ist es in einer Stunde und zehn Minuten Morgen? Sie (rechnet mit ihm nach und kommt zum Schluss): Nein, in 10 Minuten ist es morgen. Er (jubeld): Dann sind wir in 10 Minuten zuhause! Sie (mitleidig): Ehm … nein, dann fahren wir erst zum Flughafen, dann sitzen wir 12 Stunden im Fluggzeug, dann fahren wir nach Hause … Er: Aber du hast doch gesagt, morgen seien wir zuhause … We feel you, buddy, we feel you!
Kurz vor halb eins also Zollkontrolle: Where is your Departure Card? – Habe ich nicht … But you must! Nimmt meinen Pass, schiebt mir eine Karte zu, die ich ausfüllen soll – immerhin muss ich nicht wieder zurück und nochmals anstehen; sogar einen Kugelschreiber leiht er mir. Passnummer kann ich nicht auswendig, Pass hat er – es braucht etwas, bis er begreift. Just SIGN now. OK, ich mach ja schon … Dann wieder Gepäckkontrolle, zurück zum Schalter im Bereich C, neues Einchecken, Gepäck auf die Waage – Warnlichter: Bagage needs double check. Also mit dem Riesenbaby wieder mal quer durch die Anlage, Koffer öffnen, alles kontrollieren lassen. Hotspot in Rucksach nehmen, weil der mit einer Powerbank gekoppelt ist (war mir bis dahin nicht bewusst und auch noch niemandem aufgefallen), zurück zum Schalter und endlich definitiv(?) einchecken. Dann – sicher ist sicher – direkt durch die abschliessende Sicherheitskontrolle und ans Gate, wo wir alle unsere verbliebenen Gutscheine zusammenlegten und den Kiosk plünderten: Kaffee, Saft, Wasser, Kekse und sogar Glace kann man problemlos auch morgens um 2 essen. Für euch getestet! Das Zeugs rutschte umso besser, als wir am Gate tatsächlich ein Flugzeug mit Schweizer Kreuz sahen!
Viertel vor drei kam Leben in die Bude: Eine freundliche Stimme (ab Band, wie sich später herausstellte) verkündete mit enthusiastisch-fröhlicher Stimme: Danke, dass Sie gewartet haben! Das Gelächter und die verdutzten Blicke der Leute am Schalter, die wieder Mal gar nichts verstanden: Unbezahlbar!
Die Crew begrüsst uns sehr herzlich, bedauert die Warterei und meint, ihr seid sicher froh, dass es endlich losgeht. Sind wir! Nachtessen werden kaum bezogen, die meisten nehmen nur Wasser oder allenfalls ein Glas Wein und mummeln sich dann ein, um endlich – ENDLICH – zu schlafen. Vorher gibt es allerings noch eine Erklärung zur Verspätung: Auf dem Hinflug bemerkte die Crew eine Fehlermeldung, dass mit der Luftzufuhr für die Air Condition etwas nicht stimme. Deswegen musste das Flugzeug getestet und gewartet werden. Wobei eigentlich alles ok gewesen sei – bis auf das blöde Lämpchen, das den Fehler anzeigte. Na dann …
Schlafen konnte ich dann doch nicht wirklich, mehr so dösen für ein paar Stunden. Dann schaute ich mir zwei Filme an, hörte etwas Musik und genoss ein recht seltsames Frühstück: Kräuterreis mit etwas, was wie Naturschwamm aussah und eher undefinierbar schmeckte. Auswahl wurde uns keine geboten, aber das war uns schon längst egal. Hauptsache, es geht heimwärts!
Landung war dann sogar ein paar Minuten als angekündigt, Koffer traf tatsächlich ein, Zoll verlief problemlos, Corinne und Moesha waren zur Begrüssung da – und Winterschuhe brauchte ich keine, das Wetter war schön, wenn auch 30 Grad kühler als bei der Abreise. Knapp 65 Stunden nachdem ich mein Studio in Whakatane verlassen hatte, traf ich Zuhause ein. Geschafft! In jeder Hinsicht …
Nachtrag 11.1.2020
Kundendienst der Swiss hat mir via Twitter empfohlen, ein Beschwerdeformular auszufüllen, via Homepage. Habe ich gemacht und eine erste, sehr formalistische und unbefriediegende Antwort erhalten: Gesetzlichen Anspruch auf Wiedergutmachung gäbe es nur bei Ab- / Zielfluglhafen in der EU, man bedaure die Umstände, aber Sicherheit gehe vor, Ereignis sei Unvorhersehbar gewesen … Habe noch mal interveniert: Sicherheitsaspekt verstehe ich, nicht EU auch – aber unvorhergesehen akzeptiere ich nicht, denn das erste SMS, dass wir nicht fliegen könnten, hätte ich 9 Stunden vor dem geplanten Abflug erhalten. Damit wäre genügend Zeit gewesen, eine vernünftige Betreuung am Flughafen sicherzustellen. Verwies da auch auf diesen Blogbeitrag (beim Formular konnte ich das nicht), worauf eine persönlichere und versöhnlichere Meldung kam: Offenbar sei die Betreuung durch die Partner vor Ort tatsächlich nicht optimal gewesen, man entschuldigte sich für die Schmerzen, die mir entstanden sind (mit Verweis auf die Möglichkeit, Assistenz für barrierefreies Reisen im Voraus zu buchen, was aber beim Normalfall eben nicht nötig gewesen wäre). Aus Kulanz erhielt ich einen Gutschein über CHF 200 Franken, Habe mich bedankt mit den Worten: Jetzt fühle ich mich gehört und verstanden – danke!
Alles hat ein Ende (und bei Dir mit dem gleichen Chaos wie beim Hinflug)!
Take it easy, musst Dich einfach später erholen und ausschlafen.