Eigentlich hatte ich für heute einen geführten Walk geplant. Der Kiwi-Trust führt hier jeweils am Donnerstag einen Ausflug für Kinder durch, auf dem Spuren des Kiwi. Die Begleitung von Erwachsenen ist erwünscht. Ich hatte angefragt, ob da auch Erwachsene ohne Kinder mit dürfen, und das wurde bejaht. Also hatte ich online ein Ticket gelöst, und Bianca hatte sich bereit erklärt. mich zum Ausgangspunkt zu bringen. Der liegt fast 8 km ausserhalb des Zentrums und ist, wie das meiste hier, nur mit dem Auto zu erreichen. Nur: Wir fanden den Treffpunkt nicht. Die Strasse, ja. Aber die hörte irgendwann auf beziehungsweise ging in einen Kiesweg über, und es sah nicht aus. als ob es da weiter ginge.
Wir versuchten, das andere Ende der besagten Burma Street zu finden, scheiterten aber. Google hatte keine Signal, und der angerufene Calum wusste auch nicht weiter. Bianca wollte es von der unteren Seite des Hügels her noch einmal versuchen, aber die Zeit für den Treffpunkt war längst überschritten. Also bat ich sie, mich beim Ohope-Eingang zum Bush Walk rauszulassen – diesen hatte ich entdeckt, als ich zum Strand spaziert war.
Von hier aus gab es kleinere Rundwege, aber auch Trails zurück nach Whakatane. Die Wege sind gut ausgeschildert und auch bei Joggern beliebt. Mal sehen, wie weit ich kommen würde. Ich vereinbarte mit Bianca, dass ich mich entweder melden würde, wenn ich es bis zurück nach Whakatane schaffen würde – oder wenn ich einen Abholservice bräuchte. Den Kiwi Trust informierte ich via Facebook Message, dass ich den Start leider nicht gefunden hatte.
Die Wege sind hier recht gut ausgebaut, wenn auch teilweise recht schmal. Der Untergrund wechselt: Sand, Erde, Fels, teilweise bedeckt mit Blättern oder Pininennadeln. Ab und zu gibt es Treppen, teilweise mit recht hohen Tritten, die wenigsten mit Geländer. Von daher war ich richtig froh, dass ich alleine unterwegs war! Denn gerade, wenn es abwärts geht, muss ich mich wegen meines Knies extrem konzentrieren und bin dann sehr langsam. So konnte ich mir Zeit lassen und habe niemanden gestresst.
Was ich lustig finde: Wanderer und sogar Jogger machen hier mit einem Konversation, beim Überholen oder Kreuzen, ohne aber dabei anzuhalten. Das beginnt mit einem «Nice day!» oder «How’s it going?» und endet mit einem aus der Ferne hallenden «Have a nice day!» oder «Take care!» Wobei ich bei dem Auf und Ab des Weges staunte, wie viel Puste die Jogger offenbar haben.
Ich selber nahm es gemütlich, erfreute mich an der Landschaft und natürlich an der Geräuschkulisse: Grillen, Vögel, Wind, ab und zu etwas Wasserplätschern … Herrlich!
Etwas Grinsen musste ich, als der Wegweiser Richtung Burma Street zeigte – und ich tatsächlich, etwa 40 Minuten später, das Auto des Kiwi Trust sah. Von der Gruppe fehlte aber jede Spur. Also ging ich weiter, in Richtung Whakatane.
Ab und zu nutzte ich ein Bänkli für eine Verschnaufpause, einen Schluck Kaffee oder für meinen Mittagssnack – einen Dreigänger, bestehend aus Cherrytomaten, Beef Jerky und La Vache Qui Rit. So gestärkt, kletterte ich auch über einige Schutzzäune, wenn der Pfad über Farmland führte, und turnte über Baumwurzeln oder rutschte mehr oder weniger elegant den Weg runter, wo dieser glatt poliert war, wohl vom Regenwasser, so dass ich nie sicher war, wie gut meine Sohlen greifen. An einigen wenigen Stellen musste ich rückwärts über eine Schwelle, weil mein Knie vorwärts nicht mitmachte. Gab wohl Abzug in der Stilnote, war aber sicherer.
Ich war mir ziemlich sicher, dass ich in der Nähe von Hillcrest rauskommen würde und von da runter ins Zentrum gehen könnte, der Strasse nach, aber mein nicht existierender Orientierungssinn machte mir einen Strich durch die Rechnung. Ich wanderte, ohne es zu merken, am Zentrum vorbei, Richtung Gorge Street. Das Schild sah ich zwar, und ich freute mich darauf, dass ich auf eine Strasse kommen werde, denn wie gesagt: Ich wandere gerne rauf und flach, aber nicht so gerne runter, und da führe ich mich auf der Strasse sicherer.
Nur: runter ging es – und wie! Erst wieder so komische Bachbette, dann Treppen. Viele Treppen. Sehr viele Treppen! Und erst die untersten hatten Geländer. Tja, Gorge Street heisst Schlucht-Strasse. Und ich landete halt am unteren Ende der Schlucht – und etwas über 2 km vom Zentrum von Whakatane entfernt.
Je nu: Dann dackelte ich halt auch noch die Commerce Street lang, vorbei an Calums Arbeitsplatz, mit einem Zwischenstopp in einem Supermarkt, wo ich mir was zu trinken kaufte. Im Zentrum kam ich an einem Geschenkladen vorbei, wo ich gleich noch was Kleines für Cecilias Geburtstag kaufen konnte – und Baumklötze staunte, als die Dame beim Einpacken meinte: «You are not local, but you have been here before!» Ja, war ich, vor vier Jahren! Die hat ein sensationelles Gedächtnis und kann sich offenbar Gesichter sehr gut merken.
Am Fluss zog ich meine Turnschuhe aus. Ich hatte schon etwas länger gespürt, dass sich da Blasen bilden. In den Unterlagen zum Walk hiess es, feste Schuhe, aber mit meinen Barfusschuhen wäre ich da auch durchgekommen, und hätte wohl weniger geschwitzt. Je nu, den Rest des Weges lief ich Barfuss, meist im Rasen – das tat gut. Die lange Hose hätte es übrigens wohl auch nicht gebraucht. Ich zog die an, wegen Viechern oder so (temperaturmässig wäre die definitiv nicht nötig gewesen), aber alle Einheimischen waren in Shorts unterwegs, also scheint das hier kein Problem zu sein.
Zurück im Camp gab es erst was zu essen, dann machte ich mich an die Bearbeitung der Fotos. Allerdings plagten mich Zwischendurch Krämpfe im Oberschenkel. Vermutlich hatte ich zuwenig getrunken.
Ach ja: Die Leute vom Kiwi Trust haben sich noch gemeldet. Die hatten sich Sorgen gemacht und mich gesucht und wollten wissen, ob bei mir alles ok sei. Fand ich lieb!
Ich frage mich manchmal, wo Du eigentlich diese Wanderniere her hast. Früher hast Du Dich immer vor Wanderungen gedrückt. Geniesse Dein Leben in der Natur!
Daddy