Krönung des Laufjahres
Eigentlich war meine Jahresplanung ja ganz auf den Hallwilerseelauf ausgerichtet: Ich wollte dort, ohne Zeitdruck, meine ersten Halbmarathon planen. Als Zora das mitbekam, wies sie mich darauf hin, dass es auch am Frauenfelder einen Halbmarathon gäbe, der sehr schön sei. Und sehr happig, war mein erster Gedanke, als ich mir das Streckenprofil ansah. Da kommen einige Höhenmeter zusammen – wobei die aufwärts mir eigentlich keine Sorgen bereiten, die runter aber schon, die sind Gift für mein lädiertes Knie. Kam dazu, dass die einen offiziellen Zielschluss haben, und zwar 4 Stunden nach dem ersten Halbmarathon-Start. Ich entschied mich für eine Anmeldung – mit der Option, diese verfallen zu lassen, sollte das Wetter und / oder die Tagesform nicht mitspielen.
Ca. 10 Tage nach Hallwil war ich überzeugt, nicht starten zu können. Ich litt unter einem sehr schmerzhaften Schienbeinkantensyndrom und musste mir eingestehen, dass ich mir wohl etwas arg viel zugemutet hatte – gerade auch, weil die Strecke extrem sumpfig und rutschig war. Es dauerte lange, bis ich wieder längere Walks absolvieren konnte – mehr als 15 km wurden es aber nie, meist zwischen 8 und 10. Besserung fürs nächste Jahr sollte eine Einlage verschaffen: Ich wollte einen Termin bei meiner Hausärztin nutzen, um eine Überweisung an einen Orthopäden zu erhalten. Noch während ich darauf wartete, erfuhr ich von Bekannten von der KNEO – einer neuartigen Orthese, die sehr angenehm zu tragen, gleichzeitig aber sehr wirkungsvoll sei. Plötzlich ging alles sehr schnell: Meine Ärztin informierte sich, stellte mir gleich selbst die Verordnung aus, und schon wenige Tage später wurde mir das Ding angepasst. Schnell merkte ich: Im Alltag eine Wucht – und auf Walks eine echte Hilfe! Also doch starten?
Ich versuchte mich beim Veranstalter abzusichern: Ob ich eventuell etwas früher starten könnte? Oder ob sie mir meine Tasche am Ziel etwas länger aufbewahren könnten? Und dennoch keimte in mir die Hoffnung: Es könnte zu schaffen sein – wenn das Wetter mitspielt.
Und wir hatten Glück! Zwar regnete es nachts und am Morgen noch, aber dann wurde es recht schön – und überraschend warm: Viele Waffenläufer kennen den Frauenfelder offenbar vor allem mit gefrorenen Bärten! Der grösste Teil der Strecke führte über geteerte Strassen oder Kieswege, einige Kilometer über Naturwege – und eine kurze Strecke über etwas, das wohl früher eine Wiese gewesen war, sich aber durch 2000 LäuferInnen, die vor mir waren, in eine Art Schlammrutsche verwandelt hatte. Hier erlebte ich das erste Mal, was Zora immer über die Gemeinschaft der Waffenläufer erzählt. Ein Läufer, der da schon mehr als 20 km in den Beinen hatte, sah beim Überholen meine Probleme und bot mir an, mir runter zu helfen. Das nenne ich Sportsgeist, Freunde!
Überhaupt sind die Waffenläufer schon ein eigenes Völklein (siehe auch Pfingstlauf Wohlen): Die scherzen und plaudern unter sich, mit dem Publikum, mit den MitläuferInnen, geben Tipps etc. Viele kennen sich untereinander und sind auch dem überaus zahlreichen Publikum ein Begriff. Wann immer ich überholt wurde, erhielt ich Tipps oder Aufmunterungen: Pfyff uf s Trottoir – schnyd die Kurve, das spart Energie! – Du packsch das! – I bschtöue der es Zwätschge im Zyl!
Das Publikum ist hier auch extrem ausdauernd: In improvisierten Beizli, auf Terrassen oder in Gärten sitzen die Menschen, applaudieren, spornen an. Ich erhielt Getränke angeboten (auch Cogniac und Zwätschgelutz!), Bananen und Kekse. Kinder klatschten mich im Vorbeigehen ab, und ein etwa 10-jähriger Junge rief mir nach: Du bisch jetzt scho wyter, aus i bis jetz cho bi! I has nume bis St. Margrethe gschafft!
So ab Kilometer 16 musste ich dann aber schon etwas beissen. Bis dahin ging es erstaunlich gut … Die Strasse war hier längere Zeit leicht schräg, was die Wirkung der Orthese etwas schwächte, dann ging’s wieder steil runter. Zum Glück kam da gerade Heinz von hinten, ursprünglich aus Recherswil, aber seit 40 Jahren da weg, kennt aber den Vater meiner Schwägerin … Ja, er nahm sich die Zeit, mit mir ein paar Schritte zu gehen und zu plaudern, als er meinen Dialekt erkannte. Verabschiedete sich dann mit den Worten: Muess no chly Gas gä, isch mi 30. Frouefälder, sött e Faue mache!
Kurz vor dem Ziel drohte ich mich ein zweites Mal zu verlaufen – das erste Mal war kurz nach dem Start, wo die Verkehrskadetten den Verkehr freigaben, bevor ich um die Ecke kam, und das Feld nicht mehr zu sehen war. Dort rettete mich ein Fotograf – hier waren es ein paar Passanten, die mir weiterhalfen. Das wäre auch der einzige Kritikpunkt an eine ansonsten perfekte Organisation: Die Tafeln standen teilweise sehr weit auseinander, bei einigen Kreuzungen oder Abzweigungen war ich sehr unsicher, welche Wege ich nehmen sollte. Für diejenigen, die da schon 30 Mal durchgedüst sind, mag das reichen – für Neulinge und Nachzügler wie mich war es etwas schwierig. Ich erreichte einen Torbogen, hörte auch das Piepsen der Zeitmessung, war aber etwas erstaunt über das eher unspektakuläre Ziel, da meinte ein Passant: Nid blybe stoh – s Ziel chunnnt ersch dört vore ume Egge! Also noch einmal aufraffen, weiter – und merken: Das war nur der Alarm für den Speaker, der mich nun mit viel Schwung und Freude begrüsste, obschon kaum noch Leute da waren, ausser denen, die mit Aufräumen beschäftigt waren.
Und dann die Freude: Meine Schlusszeit ist viel besser als erwartet, ich bin vor dem offiziellen Zielschluss da – und Zora und Sascha sind da, um mich abzuholen und sich mit mir zu freuen. Danke!
Fazit:
Ein wunderschöner Lauf, durch herrliche Landschaften, super organisiert, mit sensationellem Publikum. Und mit herrlichen und superschnellen Fotos von Alphafoto:
Super Lovey, das hast du toll gemacht – nochmals herzlichen Glückwunsch! Dass du deine Bestzeit um ganze 40 Minuten überboten hast, macht hoffentlich Lust auf mehr. Weiter so…