Normalerweise verbringe ich ja den grössten Teil meiner Ferien über Weihnachten und Neujahr – und verreise jeweils in wärmere Gefilde oder, seit der Geburt meines Patenkinds, nach Neuseeland. Doch in diesem Jahr ist ja bekanntlich nur wenig normal, und so musste ich langsam schauen, was ich mit meinen angesammelten Ferienwochen anfangen wollte. Erholen, das war ein Muss – die letzten Monate waren beruflich und privat nicht ohne. 14 Tage irgendwo in der Schweiz in ein Hotel, das lockte mich nicht – und fliegen, selbst in Länder, die nicht auf der Risikoliste stehen, macht für mich in Anbetracht der Pandemie keinen Sinn. Nur zu Hause sitzen wollte ich aber auch nicht … Also schickte ich meinem Vater vor einigen Wochen eine Auswahl Kurzarrangements von Hotelplan, für Reisen in der Schweiz. Für Leukerbad oder Engelberg könnte er sich begeistern, kam prompt die Antwort. Da mir in Leukerbad zwar das Bad sehr gut gefällt, die Berge aber zu nahe stehen, entschied ich mich für Engelberg.
Tag 1
Das Hotel Terrace stammt aus der Belle Epoque und thront majestätisch über dem Dorfzentrum. Es gehört heute zu den Titlisbahnen und bietet deswegen Packages inklusive Bahn. Im Arrangement inbegriffen sind Halbpension Plus – inklusive Tischwein und Gletscherwasser. Coronabedingt arbeiten die Mitarbeitenden in Kurzarbeit, was heisst, dass die Baröffnungszeiten verkürzt sind (ab 19.30 statt ab 15 Uhr) – dafür gibt es Weisswein, Wasser und Saft als Apéro in Selbstbedienung, ebenfalls im Preis inbegriffen. Unsere Zimmer lagen in der Dépendance, einem Bau, der von Aussen eher hässlich wirkt. Sie waren während des Lockdowns komplett erneuert worden, mit einer tollen Dusche mit Wärmerückgewinnung zum Energiesparen: “Jedes Mal, wenn Sie duschen, helfen Sie uns Strom sparen!”, erklärte uns der nette Herr an der Réception.
Mein Vater – sehr gewissenhaft in seiner Planung – hat sich vorgängig genau angesehen, wie wir vom Bahnhof zum Hotel hinauf kommen – und wir beide hatten uns, auf den entsprechenden Fussmarsch vorbereitet, für Rollgepäck entschieden. Aber der Aufstieg war viel einfacher als gedacht. Durch die Bahnhofstrasse hindurch, rechts abbiegen – und schon ist da ein leuchtend rotes Eingangstor. Durch 2 Tunnels und 2 Lifte gelangt man direkt zur Réception.
Das Hotel beeindruckt durch eine imposante Halle: Jugendstilelemente lassen sich von bequemen Loungesesseln bewundern, sofern man nicht die Terrasse und den Blick auf die Berge bevorzugt. Artefakte und Antikes – inkl. einem uralten Kinovorführgerät – erinnern an die Zeiten des frühen Bergtourismus.
Gemäss Buchung hätten wir unser Zimmer ab 16 Uhr beziehen können, aber da das Haus natürlich nicht ausgebucht ist, konnten wir schon kurz nach 12 unser Gepäck deponieren und losziehen, um mit einer der Bahnen hochzufahren. Wir entschieden uns für die Gondel zum Trübsee, um das Prachtwetter bei einem Spaziergang zu geniessen. Rund um den See führt ein Kinderwagen- und Rollstuhlgängiger Weg – pardon: Schmugglerpfad! An diversen Standorten mit Spielplätzen und Grillstellen erfahren Kinder und gwundrige Erwachsene wie ich mehr über Schmuggli und sein Herrchen. Der Themenweg ersetzte 2019 den Knorrliweg, der sich mt dem Thema Ernährung beschäftigt hatte, und ist extrem liebevoll gestaltet. Paps und ich freuten uns über das wunderbare Panorama und die vielfältige Pflanzenwelt. Wenn die Alpenrosen blühen, muss es da oben herrlich aussehen! Auf halbem Weg gönnten wir uns was zu trinken und erreichten dann kurz nach 15 Uhr wieder die Bahnstation, um zurück ins Tal zu fahren.
Taten wir aber nicht: Wir waren irgendwo falsch abgebogen und fuhren hoch statt runter, sodass wir einen Tag früher als geplant bereits Richtung Titlis fuhren. Bei der Station Stand standen wir dann halt nicht auf, sondern blieben sitzen und gondelten wieder zurück, wobei wir das fantastische Panorama genossen. Im zweiten Anlauf klappte es dann, und wir erreichten unser Hotel gegen halb fünf – mit genügend Zeit zum Duschen (!) und Beine hochlagern vor dem Znacht.
Apéro gab’s raucherbedingt nicht auf der Terrasse, sondern in der Lobby, Nachtessen im Wintergarten. Gemäss Schutzkonzept desinfizierten wir uns brav die Hände und schnappten uns je ein Paar Einweghandschuhe, die für den Gang ans Buffet obligatorisch waren. Letzteres war im Restaurant Belle Epoque aufgebaut, mit viel Platz zum Zirkulieren. Vorspeisen, Salate und Desserts in hübschen Weckgläsern arrangiert; Suppe und Hauptgang (Fisch oder Fleisch) in Selbstbedienung aus dem Chafing Dish. Ich entschied mich für Salat und Fischknusperli als Vorspeise, danach gabs Wild mit Rotkraut und ganz wenig Spätzli – Dessert liessen wir beide aus, wir sind nicht mehr so grosse Esser. Dafür gönnten wir uns danach an der Bar noch einen Kaffee, bevor wir schlafen gingen.
Tag 2
Ich habe wunderbar geschlafen – bei offenem Fenster, ohne Ohrstöpsel. Es war traumhaft ruhig, nur ab und zu hörte ich in der Ferne Kuhglocken bimmeln. Geweckt wurde ich von der Sonne und der Vorfreude auf einen weiteren Prachtstag. Nach dem Frühstück brachen wir auf für die Fahrt auf den Titlis. Vom Gletscher ist nicht mehr allzu viel zu sehen – trotz den Versuchen, das Resteis mit Textilien zu schützen. 1,7 km2 sollen es 2007 noch gewesen sein – in 20 Jahren, so schätzt man, dürfte davon nichts mehr zu sehen sein. Ich selber habe wenig Vergleichsmöglichkeiten – ich war bis jetzt nur zwei- oder dreimal in Engelberg und sah den nur von unten. Mein Vater erinnerte sich aber an Zeiten, wo die Gletscherhöhle weit grösser gewesen war. Und aus Erzählungen meines Onkels wusste ich, dass es da früher ein imposantes Ganzjahres-Skigebiet gab. Imposant ist natürlich nach wie vor die Aussicht: Ein grandioses Panorama, egal, in welche Richtung man schaut:
Nach einer Kaffeepause gondelten wir wieder runter ins Tal – aber nur, um wenige Schritte weiter ein neues Bähnli zu besteigen: Das Funiculaire zur Gerschnialp. Wobei das eigentlich gerade Mittagspause gehabt hätte … Aber der freundliche Bähnler nahm uns mit, als er eine Ladung Getränke zur Alp fuhr. Und bewahrte uns vor einem taktischen Fehler: Ich hatte von der Gondel aus eine Alpkäserei gesehen und daraus geschlossen, dass es da Meringues geben müsse. Tut es aber nicht. Aber: Im Restaurant Untertrübsee gäbe es die besten weit und breit. Also haben wir umdisponiert und spazierten, durch einen Märchenwald, in dem wir überall Zwergenhöhlen oder Gesichter sahen, zu besagtem Lokal. Und ja: Fein war’s! Und schon die kleine Portion mehr als gross genug … Aber keine Angst: Daddy und ich trainierten die Kalorien gleich wieder ab, indem wir zu Fuss zurück ins Tal und wieder hoch zum Hotel gingen. Dann aber hiess es wieder: Duschen und Beine hoch, bevor wir wiederum ein feines Znacht genossen.
Intermezzo: Gin Bar
Das Hotel Terrace ist bekannt für seine Gin-Collection in der Porticos-Bar. Ursprünglich warb man mit 111 Gins, auf der Website stehen 250 – bei der letzten Zählung sollen es 349 gewesen sein. Wobei es sich, zumindest gemäss Infoscreen des Hotels lohnt, zweisprachig zu sein: Die Deutschen werden von 15 Uhr bis 23.30 bedient, die englischsprachigen von 3 am to 11.30 pm. Was aktuell aber beides Theorie ist, wegen der Kurzarbeit: Die Bar wird von der Réception bedient, ab 19.30. Und natürlich wollten Daddy und ich das dann doch auch probieren. Um mich unter der Fülle überhaupt entscheiden zu können, begann ich, die Gins geografisch einzukreisen (der Aufbau des Regals macht es einem leicht). Nadine, ausgebildete Barfachfrau, wollte davon nichts wissen, und begann uns nach Geschmacksvorlieben zu befragen, worauf wir alsbald unsere Nasen an diverse Flaschen halten durften. Grandiose Bedienung, die Getränke werden super stilvoll serviert, die Aussicht beim Geniessen ist kaum zu toppen … Die Bar kann ich allen Gin-Freund*innen nur ans Herz legen!
Tag 3
Geweckt wurde ich von einem wunderschönen Sonnenaufgang und einem Alpabzug. Coronabedingt fallen zwar die entsprechenden Festivitäten aus, aber, wie ich durch mein Zoom feststellen konnte, die Sennen liessen es sich nicht nehmen, die Kühe mit wunderschönen Glocken, etwas Blumen und Fähnchen zu schmücken. Als ich das gegenüber der Bedienung im Restaurant später lobend erwähnte, meinte sie nur: “Das haben die Kühe verdient!” Der Himmel war nicht mehr ganz so wolkenlos, aber das Wetter immer noch schön und überraschend warm für die Jahreszeit. So checkten wir zwar nach dem Frühstück aus, planten aber vor der Heimreise noch einen weiteren Spaziergang ein: Durch den Dorfkern, am Benediktinerkloster und dem Grab meines Onkels vorbei Ins Eienwäldli. Von oben sahen wir dahinten ein paar schöne Wasserfälle, die wollten wir uns ansehen. Der Spaziergang führt bequem dem Fluss entlang, wobei an verschiedenen Stellen am Hochwasserschutz der Aa gebaut wird. Aktuell plätschert sie recht sanft vor sich hin, diverse Zuflüsse sind sogar völlig ausgetrocknet. Das Geschiebe links und rechts zeigt aber, wie heftig die Wassermassen hier sein können. Interessant fanden Daddy und ich die riesigen ausgehöhlten und offenbar geteerten Baumstämme, die als Wasserwehr zum Einsatz kommen.
Der Spazierweg – übrigens ebenfalls kinderwagen- und rollstuhlgängig – führte uns an der Driving Range und dem Golfplatz vorbei zu einem grossen Campingplatz mit Wellnessbad, Sauna, kleinem See mit Kinderspielplatz und gemütlichem Restaurant. Einmal mehr freuten wir uns über die riesige Freundlichkeit der Menschen – und wie familienfreundlich die Region unterwegs ist. Vorbei am offenbar rege benutzten Seilpark (mir wurde es da schon vom Zuschauen schummrig) gelangten wir zur Talstation der Fürenalp-Gondelbahn. Auch da oben gäbe es offenbar einiges zu sehen und zu erleben – aber das sparten wir uns für ein nächstes Mal auf und bestiegen stattdessen den Gratis-Shuttlebus, der uns, vorbei an der Talstation der Brunni-Bahn zurück zum Bahnhof fuhr, wo wir unser eingestelltes Gepäck rausholten, und ich die Schuhe wechselte.
Ja, selbst ich kraxle in den Bergen nicht mit Zehenschuhen rum – obschon ich es diesmal fast gemusst hätte: Am Ende des Ersten Hoteltunnels, bevor wir zur Titlisfahrt aufbrachen, zerbröselte der Absatz meiner Wanderschuhe regelrecht. Standschaden, offenbar: Ich hatte die Dinger seit Jahren nicht mehr getragen … Also kehrten wir um, ich wechselte in meine Five-Fingers – und erkundigte mich an der Réception nach dem nächsten Schugheschäft. Nun bin ich stolze Besitzerin von wasserfesten ON – danke, Daddy! Der Trip aufs nicht-ganz-so-ewige-Eis hätte sonst schnell zum Horrortrip werden können … Oder auch nicht: Oben konnte man Jacken und Schuhe mieten. Offenbar sind die sich von Tourist*innen allerhand gewohnt. Darauf weisen auch einige Schilder hin:
Fazit:
Engelberg ist definitiv mehr als eine Reise wert! Die Menschen sind sehr gastfreundlich und extrem dankbar, dass man ihre Region besucht und den Tourismus in diesen schwierigen Zeiten unterstützt. Die Schutzkonzepte werden konsequent, aber ohne grosses Tamtam durchgezogen, und die Leute halten sich erfreulich gut daran. Jederzeit wieder!
Disclaimer:
Ich habe die Reise via Hotelplan normal gebucht, ohne irgendwelche Vergünstigungen. Der Blogpost entspricht, wie üblich, meiner Begeisterung über ein paar wunderschöne Tage an einem schönen Ort. Die angegebenen Links dienen der Vertiefung – auch hier liegt keine werberische Absicht dahinter. Für die Korrektheit der verlinkten Informationen übernehme ich keine Garantie. Am besten einfach selber hingehen 🙂