Sonnenberg

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Da mir die Hitze die letzten Tage ziemlich zugesetzt hat, ich aber noch nicht ins Wasser darf, wegen der frischen OP-Narben, entschied ich mich heut früh, Abkühlung in der Höhe zu suchen. Spontan kamen mir Titlis und Pilatus in den Sinn. Ich packte also meine Picknicktasche und zog los, Richtung Luzern. Dort wollte ich entscheiden, welcher der beiden Berge es sein sollte.

Fahrplanmässig wäre Titlis dran gewesen – ich hätte direkt Anschluss nach Engelberg gehabt. Aber da es in Luzern relativ stark bewölkt und durchaus kühl war, entschied ich mich für den Pilatus. Nach etwas Suchen fand ich auch den richtigen Bus nach Kriens und stieg wenige Minuten später bei Zentrum / Pilatus aus, zusammen mit  anderen, oft Rucksack-bewehrten Menschen, die sich zielstrebig von der Busstation weg bewegten. Ich hinterher, schliesslich sahen die aus, als wussten sie, was sie taten. Was bis auf mich und drei andere auch zutraf.  Denn bei der Talstation Sonnenberg merkten wir blitzartig, dass wir der falschen Gruppe gefolgt waren 🙂

Je nu: Die drei anderen liessen sich den Weg erklären und kehrten um, Richtung Talstation Pilatus. Ich aber fand: Sonnenberg klingt gut! Und das Bähnli sah süss aus. Während ich auf die Abfahrt wartete, unterhielt ich mich mit einer Familie, die im Gegensatz zu mir bestens vorbereitet war. Die Kinder hatten alle die Geschichte vom Sonnenzwerg gelesen und freuten sich auf den Zwergenweg. Und versicherten mir, dass es da oben auch Restaurants gäbe, nicht nur auf dem Pilatus. Somit konnte ja nichts mehr schief gehen!

Easy Ride gilt auf dieser Strecke nicht: Die Sonnenbergbahn gehört mehrheitlich der Stadt Kriens und wurde nur durch eine private Initiative vor dem Abbruch gerettet, als das Grand-Hotel zuging, als dessen Zubringer sie 1922 gebaut worden war. Mehr zur faszinierenden Geschichte der Bahn findet ihr hier. Die Schrägbahn fährt noch auf der Originalstrecke. Allerdings seit einiger Zeit so, dass beide Wagen an einem unabhängigen Seil fahren. Ursprünglich waren sie verbunden, und mittels Wassertank wurde jeweils das Gewicht ausgeglichen, wenn, wie zum Beispiel heute, der Wagen nach oben voll, jener nach unten aber leer war.

Die Übersichtskarte bei der Bergstation zeigte mir, neben dem Zwergenweg, auch einen Rundweg und diverse Wandermöglichkeiten auf. Natürlich entschied ich mich für den Zwergenweg! Schliesslich hatten mir die Kinder, angeleitet durch diverse Figuren, die neben den Geleisen angebracht waren, viele Szenen aus dem Kinderbuch erzählt und mich neugierig gemacht. Der Sonnenzwerg und s blaue Bähnli heisst die Geschichte, und neben dem Zwerg spielen ein Bähnler, ein Wolf, eine knorrige Lärche und mehr wichtige Rollen.

Zu Beginn führt der Weg durch eine Linden-Allee, mit betörend süssem Duft. Daran schliesst sich eine Lärchenallee an – auch hier solltet ihr die Fotos riechen können! Viele Leute waren nicht unterwegs, die meiste Zeit war ich alleine und genoss die Ruhe, die nur vom fernen Bimmeln der Kuhglocken, den Vogelstimmen und meinen Schritten auf dem Kiesweg unterbrochen wurden. Ab und zu raschelte es im Unterholz – ob das Mäuse oder Zwerge waren, konnte ich aber nicht herausfinden. Durch einen Mischwald mit schönen Grillstellen ging es weiter, bis der Weg links abzweigte, in die Wolfsschlucht.

Ab hier ist der an sich gut ausgebaute Weg definitiv nicht mehr Kinderwagen-tauglich – und war auch eher eingeschränkt Lovey-tauglich. Eine endlos scheinende Treppe, Naturweg mit Holz-Querbalken, ohne Geländer, nass vom Regen der letzten Nacht, verlangte grösstmögliche Konzentration. Ab und zu liess ich Familien passieren, die schneller unterwegs waren  – also alle 🙂

Die üppige Natur und die ausgewaschenen Steine liessen die Anwesenheit von Zwergen und Wölfen durchaus als realistisch erscheinen. Wobei mich im untersten Teil der Schlucht, wo sich das ganze Wasser angesammelt hatte, auch ein Sumpfmonster nicht überrascht hätte. Zum Glück sind meine Schuhe waschbar.

Vorbei am Wolf ging es dann wieder aufwärts, über Steine und Geröll, immer noch hochkonzentriert, aber dennoch einfacher – aufwärts ist für mein Knie einfacher. Kaum hatte ich die Höhe wieder erreicht, bog der Zwergenweg erneut nach unten ab. Ich vermute mal, irgendwo auf dem Teilstück wäre ich noch der arrogant blickenden Gans begegnet. Aber mit Rücksicht auf mein Knie blieb ich auf dem Rundweg und setzte mich kurze Zeit später auf ein Bänkli, um mein Picknick zu verzehren.

Ich hatte mein Pizzastück kaum angebissen, spazierte eine Familie mit einem ca. 5-jähigen Kind an mir vorbei. Der Junge hatte sichtlich Bedenken, den Wolf in seiner Schlucht zu besuchen. «Was, wenn der uns angreift?» Ich beruhigte ihn: «Ich komme gerade von da! Der Wolf hat mir ein ganzes Stück Pizza geklaut und sich dann satt zum Schlafen hingelegt.» – «Dann ist ja gu!», meinte der Knirps, und stapfte mutig weiter, während mir die Mutter einen dankbar-belustigten Blick zuwarf.

Der Rückweg führte an einem schönen Kinderspielplatz vorbei zur Bahnstation. Aber da war gerade Mittagspause, also spazierte ich noch ein paar Minuten weiter, zum Restaurant Sonnenberg.  Hier laden eine Selbstbedienungs-Minigolfanlage, ein Spielplatz und eine schöne Sonnenterrasse zum Verweilen ein. Die Zwerghasen und Minipferde habe ich verpasst – kann mir aber gut vorstellen, dass die bei Kindern der Hit sind.

Ich genoss meinen Kafi und machte mich dann auf den Rückweg zur Bahn, wo ich mich noch etwas mit dem Bähnler unterhielt. Herrlich, wie stolz der auf sein gut 100 Jahre altes Spielzeug ist 🙂 Er amüsierte sich, als ich ihm erzählte, dass ich eigentlich auf den Pilatus gewollt hätte, meinte aber, ich wäre hier wohl besser gefahren. Gestern seien die Leute drüben über eine Stunde angestanden, und die letzten seien erst kurz nach 20 Uhr runtergekommen, so überlaufen sei der Berg gewesen. Und die Aussicht wäre heute ohnehin eher mau … (was der Blick in die Webcam später bestätigte). Je nu, heben wir uns den Pilatus für ein anderes Mal auf.

Zurück in Kriens spielte ich kurz mit dem Gedanken, noch eine Schifffahrt anzuhängen, aber dann sah ich all die Leute und entschied mich dagegen. Viel zu viele Leute hatte es auch auf dem Perron, als ich den Zug nach Zürich besteige wollte. Zum Glück kann ich mit Easy Ride problemlos die Klasse wechseln: In der ersten Klasse war es angenehm ruhig.

Die Zeit zum Umsteigen nutzte ich dazu, mir einen Cafè freddo zu kaufen; dann tuckerte ich via Baden zurück nach Bad Zurzach. Zwerge hatte ich keine gesehen – also lebendige. Aber zurück in meinem Stübchen musste ich schmunzeln, als ich sah, was ich heute Morgen als Tageskarte gezogen – und komplett vergessen hatte: Die Sonne.

Sieht so aus, als wäre ich am falschen Ort genau richtig gewesen …

 

Ein Gedanke zu „Sonnenberg“

  1. Wirklich schade, dass Dir kein Zwerg über den Weg gelaufen ist. Bin aber froh, dass Dich der Wolf nicht gefressen hat und Du Dein Pizzastück geniessen konntest. Sehr schöne Bilder. Ich kenne diese Gegend nicht, hat mich aber “gluschtig” gemacht.

    Daddy

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